Es war einmal vor langer Zeit, da verliebte sich ein verfluchter Prinz in ein eigensinniges Mädchen und gemeinsam retteten sie ein Königreich. Aber das lag in der Vergangenheit. Alles, woran Belle denken konnte, während ihre Kutsche über das unebene Pflaster des Pont Neuf rumpelte, war die Zukunft.
Paris war noch genau so, wie sie es in Erinnerung hatte – so voll, chaotisch und von dichtem Rauch verhangen, dass es ein Mädchen, das an weite Felder und offene Märkte gewohnt war, zu überwältigen drohte.
Sie lehnte sich aus dem Fenster, um nach Tagen der eintönigen Landschaft die Stadt in sich aufzusaugen. Lumière schlief weiter ungestört zusammengekauert in seiner Ecke – in derselben Haltung, in der er schon den Großteil der Reise verbracht hatte. Hinter ihr hatte sich die Hand ihres Ehemannes in ihre Röcke gekrallt, wie um sie an sich zu binden, aber sie konnte sich einfach nicht von dem Anblick losreißen. Die Stadt dort draußen sprühte vor Leben. Auf der Brücke tummelten sich allerlei Menschen: Buchhändler mit ihren Karren voller alter Wälzer und Manuskripte, Quacksalber auf erhöhten Podesten, die ihre Tinkturen in kleinen Glasfläschchen feilboten, Gaukler, die ihr Bestes gaben, um die jungen Grisetten nach einem langen Arbeitstag auf dem Weg nach Hause zu beeindrucken. Belle beobachtete mit einer Mischung aus Faszination und Ekel, wie ein Barbier einer armen Seele einen Zahn aus dem Kiefer zog und sich dabei mit einem Fuß am Geländer der Brücke abstützte, um genügend Kraft aufzubringen. Und unter all dem glitzerte die trübe Seine immer noch im Licht der Nachmittagssonne, während die Pariser ihre Ufer bevölkerten, um sich an dem kühlen Strom von der Sommerhitze zu erholen.
Belle weidete sich an diesem Anblick, jetzt nicht weniger als vor langer Zeit, als sie all das zum ersten Mal vom Wagen ihres Vaters aus gesehen hatte, eingeklemmt auf der Ladefläche zwischen seinen Erfindungen. Jahrelang war sie bei dem Versuch gescheitert, sich einzureden, dass die Stadt überhaupt nicht so großartig war – und das Leben in Aveyon im Vergleich gar nicht so schrecklich schläfrig. Sie hatte sich bemüht, sich nur an den Schmutz und den Gestank von Paris zu erinnern, und beides war auch tatsächlich nicht zu leugnen, aber dahinter pulsierte eine moderne und aufgeklärte Stadt voller Menschen und Geschäfte, voller Dichter und Philosophen, Wissenschaftler und Gelehrter. Es war eine Stadt, die das Wissen schätzte, ganz gleich wo es herkam, anders als ihr eigenes verschlafenes Dörfchen Plesance, wo Belle dafür verspottet wurde, anders zu sein. In ihren Gedanken wurde Paris zu dem Ort, an den sie am liebsten geflohen wäre, bevor sie Lio traf und ihr Leben sich für immer veränderte.
Sie sog die Stadt in sich auf, kaum imstande das Gewusel vor dem Kutschenfenster zu überblicken. „Weißt du, es heißt, dass die Polizei weiß, dass ein Mann Paris verlassen hat, wenn sie ihn drei Tage lang nicht den Pont Neuf überqueren gesehen hat.“
„Oh.“ Lio war still und gedankenverloren, er zog es vor, sich zurückzulehnen und Paris an sich vorbeiziehen zu lassen.
Sie warf ihm einen Blick zu. „Du hast nicht gelogen, als du meintest, dass es keine Anziehungskraft auf dich ausübt.“
Er schenkte ihr ein skeptisches Grinsen. „Was?“
„Paris.“ Belle lehnte sich zu ihm hinüber. „Ich fühle mich, als könnte ich aus der Haut fahren, aber du …“
Er blickte hinaus auf die überfüllte Brücke und seufzte. „Paris ist der Schauplatz vieler meiner weniger glücklichen Erinnerungen.“ Er sah, wie ihr Lächeln verblasste, und streckte seine Hand nach ihrer aus, fuhr mit dem Daumen sanft über ihre Handfläche. „Ich freue mich, dass du glücklich bist, Belle. Vielleicht können wir beide hier neue Erinnerungen schaffen.“
Niemals hätte Belle gedacht, dass sie einmal heiraten würde, aber nachdem sie den Fluch, der den Mann band, den sie liebte, gebrochen und ein ganzes Königreich befreit hatte, erschien ihr die Ehe kaum noch wie eine Herausforderung. Ihre Zeit in dem verzauberten Schloss hatte sie verändert. Als Lio ihr in der Bibliothek, die er ihr geschenkt hatte, den Antrag machte, umgeben von ihrem Vater und der Familie, die sie sich geschaffen hatte, war es ihr wie das Natürlichste auf der ganzen Welt vorgekommen, Ja zu sagen.
Inzwischen lag der Fluch weit hinter ihnen, und obwohl Belle es nicht bereute, sich für Lio entschieden zu haben, so hatte sie doch nicht gänzlich mit den Konsequenzen dieser Entscheidung gerechnet. Sie hätte sich ein Leben in einem Schloss nie vorstellen können – oder die Verpflichtungen, die es mit sich brachte, einen Prinzen zu heiraten. Sie mussten sich ein gemeinsames Leben aufbauen, und Paris sollte der erste Stopp auf ihrer großen Tour durch Europa sein, von der Belle immer schon geträumt hatte. Cogsworth hatte sich natürlich über die Zeitverschwendung und die Ungehörigkeit einesPrinzen beschwert, der den Kontinent bereiste, aber Belle beharrte eisern darauf, so viel von der Welt zu sehen, wie sie konnte, bevor sich die Wände von Lios Schloss endgültig um sie herum schlossen. Sie brauchte ein letztes kleines Abenteuer, an dem sie sich festhalten konnte. Lumière hatte beschlossen, sie am Beginn ihrer Reise zu begleiten, ganz versessen darauf, die Küchen von Paris’ berühmtesten Restaurants zu besichtigen. Cogsworth hatte ihm das Vers