1. KAPITEL
Daisy Dawson sollte gleich heiraten, aber vom Bräutigam war nichts zu sehen. Sie war im neunten Monat schwanger, und das Herumstehen fiel ihr nicht gerade leicht.
Sie streckte den Kopf zur Tür des Nebenraums hinaus, in dem sie sich umgezogen hatte. Der Veranstaltungssaal der Dawson Family Guest Ranch war dank ihrer Schwägerin Sara wunderschön geschmückt. Sara hatte an roten Rosen und weißem Tüll nicht gespart. Auf der Seite der Braut erblickte sie ihre fünf Brüder in der ersten Reihe, außerdem ihre Kollegen von der Ranch. Sie entdeckte alte Freunde und neuere Bekannte.
Aber die andere Seite war noch immer verdächtig leer. Noch waren keine Verwandte oder Freunde des Bräutigams da. Das war merkwürdig. Jacob kam zu spät und alle Leute, die er zu ihrer Hochzeit eingeladen hatte, auch?
Sicher doch, Daisy.
Sie zog sich zurück und schaute in den Spiegel. Die Erkenntnis traf sie wie ein Faustschlag ins Gesicht. Jacob würde zu seiner eigenen Hochzeit nicht kommen. Und da von seinen Gästen kein einziger da war, hatte er denen Bescheid gesagt. Wie nett von ihm, alle zu informieren – bis auf sie.
Alle Menschen, die ihr etwas bedeuteten, warteten darauf, dass sie den Mittelgang hinunterging. Und jetzt würde es keine Hochzeit geben. Sie schüttelte den Kopf. Wie dumm hatte sie sein können?
Ping!
Daisy musterte ihr Handy, das auf dem Toilettentisch lag. Die Textnachricht würde entweder von einem ihrer Brüder stammen, der nachfragte, ob alles okay war, oder sie kam von ihrem Verlobten Jacob, dem fiesen Feigling.
Sie griff nach dem Mobiltelefon. Es war Jacob.
Es tut mir wirklich leid. Aber heute Morgen ist mir klar geworden, dass wir uns nicht lieben. Und ich habe mir nur eingeredet, dass ich ein Dad sein könnte. Ich gehe wieder zurück nach Cheyenne. Vielleicht ziehe ich an die Ostküste. Dir und dem Baby wünsche ich alles Gute. J.
Schlagartig überwältigte sie Traurigkeit. Gleichzeitig durchfuhr sie heißer Zorn. Sie starrte ihr Spiegelbild an, durch den wunderschönen Spitzenschleier ihrer verstorbenen Mutter hindurch. Wenigstens hatte sie es versucht. Den ganzen Sommer lang hatte sie sich darum bemüht, dass die Beziehung mit Jacob funktionierte. Aber ihr Baby würde keinen Vater haben.
Sie steckte das Handy in die kleine, perlenbestickte Handtasche, stakste zur Hintertür hinaus, wo ihr Honda mit einem „Just Married“-Schild verziert und mit Girlanden geschmückt bereitstand.
Hastig stieg sie ins Auto und holte tief Luft. Sie lüftete ihren Schleier und schickte eine Nachricht an ihren Bruder Noah.
J. hat die Hochzeit abgesagt. Ich brauche etwas Zeit für mich.
Sie las Jacobs Nachricht noch einmal.Dir und dem Baby wünsche ich alles Gute. Wie konnte er es wagen? Sie schlug das Handy gegen das Lenkrad. Dann warf sie es aus dem Fenster, bevor sie ihren Verlobungsring vom Finger zog und hinterherwarf. Sie riss sich den Schleier vom Kopf und warf ihn auf den Rücksitz.
Dann raste sie davon. Während sie auf das Tor der Ranch zufuhr, sah sie die lächerlichen Girlanden flattern.
Wohin jetzt? fragte sie sich und bemühte sich, nicht zu weinen. Sie wohnte im Haupthaus der Ranch. Niemals würde sie es überstehen, wenn jetzt alle Verwandte und Freunde vorbeikamen, um sie zu bedauern.
Jacob hatte statt richtigen Flitterwochen ein Wochenende im Starlight B&B in Prairie City für sie gebucht, eine halbe Stunde Fahrt von hier. Sie könnte erstmal dorthin fahren, ihre Wunden lecken und den Zimmerservice nutzen. Ihre Schwangerschaftsgel