2. KAPITEL
Tagelang! Tagelang würde er mit Briana Harper in diesem Haus festsitzen. Womit hatte er das nur verdient?
Ian starrte sein Handy finster an, während Terminänderung um Terminänderung bestätigt wurde. Nachdem er herausgefunden hatte, dass sie hier eingeschneit waren, hatte er seine Assistentin angerufen und sie gebeten, für alle Fälle sämtliche Termine bis Dienstag abzusagen.
Zumindest hatte er seinen Laptop und sein Handy, und die Hütte verfügte über DSL. Bree war zwar hier, aber er war ein vielbeschäftigter Mann und das Haus war groß. Bei drei Stockwerken und zwölf Zimmern würden sie sich nicht allzu oft über den Weg laufen müssen.
Er beugte sich auf seinem Hocker zur Seite, um einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Dort hatte Bree es sich mit ihrem eigenen Computer bequem gemacht. Auch sie hatte immer wieder telefoniert. Er hatte versucht, nicht zu lauschen, aber es war nicht zu vermeiden gewesen. Sie hatte erst eine gewisse Natalie angerufen, dann eine Amelia. Es war nur um eine Vertretung für eine Hochzeit am Wochenende gegangen, aber ein Teil von ihm rechnete damit, seinen eigenen Namen zu hören.
Bree hatte zwar erwähnt, dass sie ihre gemeinsame Vergangenheit geheim gehalten hatte, aber jetzt, da sie hier mit ihm festsaß, musste sie ihren Kolleginnen doch davon erzählen? Es sei denn natürlich, er war für sie nur noch eine so ferne Erinnerung wie seine Musik für ihn selbst. Wenn ja, konnte sie sich glücklich schätzen – glücklicher als er. Bree spukte ihm ständig im Kopf herum. Er wäre zufriedener gewesen, wenn er sie hätte vergessen können. Manchmal halfen ihm die komplexen Anforderungen seines Berufs, die Gedanken zu verdrängen, aber in ruhigen Augenblicken kehrten sie mit aller Macht zurück.
Sie hatte ihre Mutter angerufen, damit sie sich keine Sorgen machte. Allerdings rief sie keinen Partner oder Ehemann an, was Ian wunderte. Er hatte gedacht, dass sie inzwischen jemanden gefunden hätte, der ihren Ansprüchen entsprach. Oder sie war endlich erwachsen geworden und hatte einsehen müssen, dass die Rolle eines mittellosen Musikers nicht sehr viel Sicherheit bot. Nicht, dass er verbittert wäre oder so.
Zuletzt telefonierte sie mit einer Julia von derWhitman Gallery und sagte, dass sie ihren letzten Termin vor der Vernissage verschieben müsste. Ian war schon mehrfach in der Galerie gewesen, in der oft die Arbeiten von regionalen Künstlern gezeigt wurden. Vielleicht plante Bree eine Ausstellung dort. Das wäre ein großer Schritt für ihre Karriere als Fotografin. Auf dem College hatte sie viele Natur- und Architekturaufnahmen gemacht, gelegentlich auch Schnappschüsse von Menschen, aber fast nie gestellte Porträts. Sie hatte ihm einmal gesagt, sie finge lieber authentische Augenblicke ein.
Wie sich doch alles geändert hatte! Seine Verlobungsporträts waren so gestellt wie nur irgendetwas. Aber er verstand, dass die Kunst manchmal hinter der Notwendigkeit zurückstehen musste, die Rechnungen zu bezahlen, und Hochzeitsfotografie war ein lukratives Geschäft. Ohnehin wurde man bei Hochzeiten doch nur über den Tisch gezogen. Es hatte ihm den Atem verschlagen, wie hoch die Rechnung war, die Missy mit nach Hause gebracht hatte, nachdem sie alles gebucht und die Anzahlung geleistet hatte. Allein der Blumenschmuck würde ihn einen sechsstelligen Betrag kosten.
Bree stand auf, und Ian richtete den Blick schnell wieder auf den Computerbildschirm. Er versuchte, sie nicht zu beachten, als sie in die Küche kam und die Tür zur Speisekammer öffnete. Sie zog eine Tüte Kaffee hervor. „Stört es dich, wenn ich mir einen Kaffee mache? Möchtest du auch welchen?“