1. KAPITEL
„Darling, können Sie mich retten?“
Daisy erstarrte. Lynda Twiggleys affektierte Sprechweise war unverkennbar. Wie ein Blitz durchschnitt sie das allgemeine Gemurmel der Prominentenschar und riss Daisy sofort aus ihrer Lethargie. Sofern irgendeine Form von Rettung gewünscht wurde, war es ihre Aufgabe als Lyndas persönlicher Assistentin, dies schnell und effektiv zu erledigen, oder sie würde wegen unverzeihlicher Pflichtverletzung die scharfe Zunge ihrer Chefin zu spüren bekommen.
Unverzüglich schritt sie deshalb zur Tat und ließ den Blick schweifen, um die Ursache des Problems zu orten. In dem VIP-Zelt drängten sich besonders viele große Menschen, denn man hatte die Creme de la creme der australischen Topmodels einfliegen lassen. Sie sollten diesem Anlass, der nicht umsonst als „Magische Millionen“ bekannt war, zusätzlichen Glanz verleihen. Jeder der hier Anwesenden war entweder selber steinreich oder stand in Verbindung mit dem ganz großen Geld und erwartete, dass alles perfekt nach den eigenen Wünschen ausgerichtet war. Ganz besonders Daisys Chefin.
Da Daisy selbst nur mittelgroß war und zudem in Erwartung der mit ihren heutigen Pflichten verbundenen Lauferei Pumps mit einem bequemen, flachen Absatz trug, musste sie sich auf die Zehenspitzen recken, um die königsblauen Federn ausfindig zu machen, die Lyndas Hut, ein sündhaft teures Neil-Grigg-Modell, zierten. Einige blaue Federspitzen ließen Daisy ihr Ziel in Nähe der Bar ahnen, wo es eigentlich kein Problem hätte geben sollen. Sie hatte sich rechtzeitig vergewissert, dass ausreichend Champagner sowie alle erdenklichen sonstigen Getränke vorhanden waren. War vielleicht etwas auf Lyndas blauseidenes Designer-Outfit verschüttet worden?
Schlimm, schlimm, schlimm, dachte Daisy mit aufsteigender Panik, während sie sich einen Weg durch das Gewühl von Millionären bahnte und sich dabei den Kopf zermarterte, wie sie einen möglicherweise nicht zu entfernenden Fleck wegzaubern sollte. Mit klopfendem Herzen tauchte sie schließlich an der Seite ihrer Chefin auf, um erleichtert festzustellen, dass diese lediglich sämtliche Register zog, um sich bei einem Mann einzuschmeicheln. Allerdings war es nicht irgendein Mann. Als Daisy ihn erkannte, bekam sie sofort wieder Herzklopfen.
Ethan Cartwright, das Finanzgenie, das durch unnachahmliches Geschick die reichsten Bürger Australiens vor den negativen Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise bewahrt hatte.
Daisy blieb unmittelbar hinter Lynda stehen und beobachtete ihn, bestürmt von bitteren Gefühlen … Zorn, Groll und Feindseligkeit angesichts der schrecklichen Ungerechtigkeit einer Welt, in der die Reichen immer reicher, die Armen dagegen immer ärmer wurden. Und in der Menschen wie ihre Eltern in einer Schuldenfalle endeten, aus der es kein Entrinnen mehr gab. Dieser Mann stand mehr als irgendein anderer stellvertretend für diese grausame Realität.
Sie kannte ihn aus Zeitungsberichten und von den Fotos in der Presse, doch die Entdeckung, wie umwerfend gut er leibhaftig aussah, verschärfte noch den Aufruhr ihrer Gefühle. Dichtes, gewelltes schwarzes Haar, faszinierende grüne Augen, markante Züge, die auf Anhieb sympathisch wirkten, dazu eine athletische Figur, die der elegante, maßgeschneiderte Anzug imposant zur Geltung brachte – es war einfach unfair! Der Mann hatte wirklich alles! Daisy verübelte es ihm doppelt, dass er eine so unverkennbar erotische Wirkung auf sie ausübte.
Zu Daisys Beunruhigung sah er sie plötzlich über Lyndas Schulter hinweg durchdringend an. Hatte er ihren feindseligen Blick gespürt? Fragend zog er die perfekt geschwungenen dunklen Brauen hoch, während seine unglaublich grünen Augen bestrebt schienen, ihre geheimsten Gedanken zu ergründen.
Lynda, die seine mangelnde Aufmerksamkeit bemerkte, drehte sich ärgerlich um. Kaum hatte sie erkannt, dass es sich bei dem unerwünschten Störenfried nur um eine Angestellte handelte, gab sie sich keine Mühe, höflichen Schein zu wahren. Ihre stahlblauen Augen blitzten Daisy ungehalten an. „Was suchen Sie hier, Dee-Dee?“
„Nichts, Miss Twiggley“, antwortete Daisy so selbstbewusst wie möglich. „Ich dachte nur, Sie hätten mich gerufen und bräuchten meine Hilfe.“
Lynda schnalzte gereizt. „Jetzt nicht. Und stehen Sie nicht hier herum. Ich bin sicher, Sie haben Sinnvolleres zu tun.“
„Ja, natürlich. Verzeihen Sie die Störung. Und entschuldigen Sie mich.“
Daisy wollte sich schon zurückziehen, als sich Ethan einmischte. „Warten Sie!“ Er machte einen Schritt auf sie zu und ließ lächelnd makellos w