»Hast du Angst vor der Dunkelheit?«
»Ja! Ja, das habe ich.«
1
Hunters of Ancient
Große Einöde, heute, 2306.
Es war Mittag – maximal hell. Das war gut. Es war die Tageszeit, in der sich Mateo am sichersten fühlte. Und das, obwohl er gemeinsam mit sieben wildfremden Menschen in einem E-Truck über den Hartsand der Einöde donnerte. Nie zuvor war er so weit draußen gewesen, so weit weg von der kümmerlichen Siedlung am Fuß des Grüngebirges. Von dem, was er sein Leben nannte – dieses unbedeutende Nichts, an das er sich seit einundzwanzig Jahren klammerte.
Vorgebeugt saß er auf einer der beiden Bänke, die auf der rüttelnden Ladefläche des Trucks festgenietet waren, und stützte sich mit den Unterarmen auf die Oberschenkel. Der Metallboden vibrierte unter seinen Stiefeln, holperte, schaukelte. Das tiefe, an- und abschwellende Heulen des Elektromotors und das sandige Knirschen der acht Großreifen wurden ab und an von einem Knall übertönt, wenn ein Stein gegen den Unterboden des Fahrzeugs prallte.
Heißer Fahrtwind wirbelte zu den offenen Seiten der Ladefläche herein. Mateo rann der Schweiß am Rücken hinunter und durchnässte Hemd und Hosenbund. Er hielt den Kopf gesenkt, sein langer Zopf baumelte ihm aus dem Nacken wie eine tote Schlange. Mateo fixierte sich auf ihn. Kein Kontakt zu den anderen, weder zu Skeech, Nioba und – hieß der Grauhaarige Duval? –, die auf der Pritsche gegenüber hockten, noch zu Benson, Sander und Rafty im Führerhaus, auch nicht zu dem Hünen neben ihm. Nicht jetzt, wenn er sich innerlich auf seine Aufgabe vorbereitete.
Automatisch krampften sich seine Finger um die rauen Träger des Rucksacks, der zwischen seinen Füßen stand. Mateo brauchte immer etwas zum Festhalten, wenn er sich vorbereitete. Er wusste, wie jämmerlich das aussah, und es war ihm peinlich, besonders vor der hübschen Nioba, aber er konnte es nicht ändern. Nebenbei befand sich in diesem Rucksack seine komplette Ausrüstung, alles, was er für den Job brauchte, und das war eine Menge unersetzlicher Technik.
Also wichtig genug zum Festhalten, oder etwa nicht?
Der E-Truck setzte über eine flache Kuppe hinweg und kam krachend auf, die Ladung schepperte. Mateos Sitzknochen scheuerten schmerzhaft über das Metallraster der Bank. Seit dem frühen Morgen wurde er schon darauf durchgeschaukelt, und sein Hintern war knochig, hielt nichts aus. »Hässlich und schmal wie ein Bergbock« – die Einschätzung einer der »Schlampen« seines Bruders. Aber damit kam er in den Historys – den verschütteten Stätten der Alten Welt – wenigstens auch da durch, wo’s eng wurde.
Er seufzte schwer. Richtig. Und genau darum war er es auch, der in den Historys immer vorkriechen musste. Dahin, wo es schrecklich dunkel war.
Sein Puls beschleunigte sich. Er schluckte, atmete tief ein, stieß die Luft seufzend aus.
Ein Handrücken klatschte ihm gegen den Oberarm. »Was is los, Neuer?«
Mateo zuckte zusammen, wandte den gesenkten Kopf ein Stück seitwärts und blinzelte zu dem Hünen hinauf, der den Rest der Dreimann-Bank neben ihm ausfüllte. Scharfer Moschusgeruch quoll dem Kerl aus der Achselhöhle, wo der große, dunkle Fleck prangte, und mischte sich mit dem Ölgeruch des Trucks. Wie nannte sich dieser Kraftprotz noch gleich?
Büffel. Ja, genau. Du stinkst, Büffel, wie eine ganze Bocksherde.
»Ist nichts. Alles in Reihe«, gab Mateo zurück und senkte den Blick wieder, vertiefte sich in das flirrende Spiel aus Licht und Schatten auf der abgeblätterten, dreckig-orangefarbenen Ladefläche. Es entstand durch die unzähligen Windkrafträdchen über ihm, die in dem Dach aus zusammengeschweißten Gitterquadraten im Fahrtwind sirrten. Mateo hatte den halben Morgen nach oben gestarrt, hatte versucht, trotz der schaukelnden Fahrt das wirre Dach zu ergründen, bis Büffel schließlich gesagt hatte: »Raftys Idee, Raftys Werk. Lädt den Zusatzschub auf«. Er hatte darüber nachgedacht, wozu das starke Gefährt einen Zusatzschub brauchte, aber mittlerweile war es ihm egal. Das Einzige, was ihn noch interessierte, war der Fokus auf den Job.
Er seufzte.
»Hör auf damit.«
Mateo linste wieder zu Büffel hoch. »Womit?«
»Mit dem Geseufze! Du sagst, es ist nichts, aber du klingst wie meine Mutter, wann immer sie den Gürtel geholt hat. Sie hat dann genau so geseufzt wie du, tief aus der Brust. Hat mit dem Riemen zugeschlagen. Und geseufzt. Und geschlagen. Weißt du, Mateo, du machst mich ganz schön verrückt mit deiner Seufzerei.«
Mateo strich sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, kratzte sich sein Kinn mit dem Bartflaum, der einfach nicht wachsen wollte. Er wusste nicht, was er tun oder sagen sollte, was er von dem Kerl halten sollte. Er verunsicherte ihn. Da war diese zu kurz geratene Nase mit den weiten Nasenlöchern, die den Eindruck erweckten, als schn