: Regina Meißner
: Venturia (Band 1): Juwelen und Verfall
: Sternensand Verlag
: 9783038960119
: Venturia
: 1
: CHF 4.10
:
: Märchen, Sagen, Legenden
: German
: 364
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die siebzehnjährige Tiana führt ein beschauliches Leben im Schloss von Bel Aniz. In der Prinzessin glüht der Wunsch nach Freiheit und nach Antworten auf Ungereimtheiten, die ihr immer häufiger auffallen. Was ist das geheimnisvolle Land Venturia, über das niemand im Schloss reden darf? Warum ist der König so abweisend, sobald das Gespräch auf Magie gelenkt wird? Doch statt Tianas Fragen zu klären, planen ihre Eltern sechs Bälle, um einen geeigneten Gemahl für ihre Tochter zu finden. Nachdem der erste Ball allerdings vollkommen anders als geplant verläuft, findet sich die Prinzessin auf einmal in einem Strudel aus Ereignissen wieder, der alles, was sie bisher geglaubt hat, als Lüge entlarvt und sowohl ihre Zukunft als auch ihre Vergangenheit infrage stellt. Als sie von einem Fremden verschleppt wird, ist das nur noch der letzte Windhauch, der ihre heile Welt zum Einsturz bringt. Wird es ihr gelingen, aus diesen Trümmern zu entkommen und herauszufinden, wer sie wirklich ist?

Regina Meißner wurde am 30.03.1993 in einer Kleinstadt in Hessen geboren, in der sie noch heute lebt. Als Autorin für Fantasy und Contemporary hat sie bereits viele Romane veröffentlicht. Weitere Projekte befinden sich in Arbeit. Regina Meißner hat Englisch und Deutsch auf Lehramt in Gießen studiert. In ihrer Freizeit liebt sie neben dem Schreiben das Lesen und ihren Dackel Frodo.

II - Über Roben und Bälle


 

»Ich habe das Kleid an der Hüfte etwas enger geschneidert, sodass es Eure schmale Silhouette besser zur Geltung bringt. Außerdem habe ich mir die Freiheit herausgenommen und die Ärmel etwas gekürzt. Auf diese Weise liegt der Fokus auf dem Goldschmuck, dem Ring und dem Armband, das Ihr von Eurer Mutter geschenkt bekommen habt.«

Mura Rocher strich über den Reifrock, in dem es mir schwerfallen würde, eine Tür zu passieren. Kritisch beäugte ich mich in dem schmalen Spiegel, der in der Nähstube aufgebaut worden war.

Das Kleid, das ich trug, war mitternachtsblau, mit schwarzen Nuancen. Dunkle Sterne bedeckten das Oberteil, das sich wie eine zweite Haut an mich schmiegte. Am Abend des Balles würde man mir die Haare am Hinterkopf in Mondform hochstecken und sonnengoldene Schuhe anziehen.

»Niemandem sonst ist es erlaubt, dieses Blau zu tragen«, verkündete Mura Rocher und korrigierte meine Haltung, sodass das Kleid besser zur Geltung kam. »Ihr werdet die Allerschönste im ganzen Palast sein und jeder Mann wird nur Augen für Euch haben.«

Im Spiegel sah ich ihr strahlendes Gesicht und weil ich sie nicht enttäuschen wollte, lächelte ich ebenfalls. Mura Rochers Arbeit war großartig, weswegen sie auch schon seit vielen Jahren in unseren Diensten stand. Mit dem Ballkleid hatte sie sich selbst übertroffen. Ich musste mir eingestehen, dass es mir schon jetzt außergewöhnlich gut stand – und das, obwohl meine Haare noch nicht hergerichtet waren und ich keinen Schmuck trug.

»Seid Ihr schon aufgeregt?«, wollte die Schneiderin wissen.

Ich drehte mich zu ihr um und versank für einen Moment in ihren mütterlichen Augen.

War es Aufregung, die ich verspürte? Nein, denn Aufregung hatte immer etwas Gutes, etwas, dem man entgegenfieberte.

Als Kind hatte ich meine Nöte oft mit Mura Rocher geteilt, weil ich wusste, dass sie eine Lösung für all das kannte, was mich belastete. Aber ich war erwachsen geworden und verstand, dass nur ich selbst gegen meine eigenen Dämonen ankämpfen konnte. Und dennoch – manchmal tat es gut, sich mitteilen zu können. Vor allem in einem Leben, das Reichtum, Gold und Silber, aber keine eigene Meinung gestattete.

Ich blies mir eine Strähne aus der Stirn und holte tief Luft. »Ich glaube nicht, dass ich schon so weit bin«, gab ich aufrichtig zu und sah die Hofschneiderin an, deren freundliches Gesicht auch nicht verschwand, als ich ihr meine Zweifel mitgeteilt hatte.

Aufmunternd klopfte sie mir auf die Schulter und lächelte mich an. »Niemand fühlt sich je wirklich bereit. Dennoch solltet Ihr auf Eure Fähigkeiten vertrauen.«

Fähigkeiten? Traurig lachte ich auf, denn mir wollten keine einfallen.

Sechs Bälle. Sechs Wochen. Was erwartete mich danach? Ein Käfig? Ein Leben in Gefangenschaft?

Meine Eltern ließen mir die Wahl, aber entscheiden musste ich mich. Wenn nicht, würden sie das für mich übernehmen. Und auch wenn ich meinen eigenen Geschmack kaum kannte, kannte ich den meiner Eltern. Mein Vater versuchte schon seit Angedenken, mir meinen Cousin Josen schmackhaft zu machen. Er war zwei Jahre jünger als ich, einen Kopf kleiner und etwa doppelt so schwer. Schon in meiner Kindheit hatte ich ihm nichts abgewinnen können und immer das Weite gesucht, wenn er seinen Besuch ankündigte.

Der Geschmack meiner Mutter war erlesener, aber vollkommen auf optische Merkmale bezogen. Und genau darin lag das Problem. Was nützte mir ein Mann, der groß, breitschultrig war und über ein hübsch