Kapitel 1
LENTZKE, SÜDLICH VON POTSDAM – 38 GRAD
In der Küche steckte Robert Beyer seinen Kopf unter den Hahn, das kalte Wasser beruhigte, aber nur kurz. Er formte beide Hände zu einer Schale, zögerte, trank einen Schluck und ließ den Rest langsam durch die Finger gleiten. Wenn die Gerüchte stimmten, könnte Wasser bald rationiert werden. Der Konflikt zwischen der Bevölkerung und der Landwirtschaft würde weiter angeheizt werden.
In all den Jahren war Robert der Versuchung aufzugeben nie so nahe gewesen. Die Arbeit auf dem elterlichen Hof in Nordfriesland, dazu die Arbeit auf dem zweiten Hof mit der kleinen Fischzucht in Brandenburg, das alles brachte ihn an seine Grenzen. Wie viel Wasser war noch in den Brunnen? Wie lange reichten die Vorräte für das Vieh? Wann musste er mit der Notschlachtung beginnen? Wie viel würde der Staat für den Ernteausfall in diesem Jahr noch übernehmen?
Nach einem sehr langen Tag hatte Robert erst am späten Abend seinen Hof in Lentzke, nicht weit von Fehrbellin, erreicht. Ein kleines Dorf, ohne Zentrum, nur von einer Durchgangsstraße durchzogen. Trotz seiner großen Erschöpfung fand er erst spät in den Schlaf. Die Nächte wurden zunehmend tropisch, immer heißer und schwüler. Darauf war sein Körper, der gewohnt war, im kühlen Norden zu bestehen, nicht eingerichtet. Die Nächte, die einst Erholung brachten, wurden zur Mühsal.
Um 6 Uhr morgens heulten die Sirenen. Feuer fraß sich durch das Getreidefeld seines Nachbarn. In letzter Minute konnte die Feuerwehr verhindern, dass die Flammen auf seinen alten Vierkanthof überschlugen. Nicht alle hatten so viel Glück. Die Dürre und die Brände hatten die Landwirte im Osten Deutschlands schon viel härter erwischt. Sehr bald aber würde es auch das einstmals so feuchte Norddeutschland treffen. Alle paar Jahrhunderte seit Bestehen der Zivilisation, ob im hohen Norden oder bis ins Nildelta, war das schon immer eine tragische Realität gewesen, wusste Robert. Hunger und Mangel hatten schon ganze Reiche und Dynastien hinweggefegt.
Kurz vor zwölf kam eine Nachricht des Bürgermeisters. Die Landwirtschafts