In Neapel lebte und blühte in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein ehrenwerter Künstler, Gaetano Pisani mit Namen. Er war ein Musiker von großem Genius, aber von nicht sehr populären Ruf; in allen seinen Kompositionen war etwas Launenhaftes und Fantastisches, was dem Geschmack der Musikliebhaber in Neapel nicht zusagte. Er war ein Freund von fremdartigen Vorwürfen, die er mit Arten und Symphonien ausstattete, welche in den Hörern eine Art Angst und Entsetzen erweckte. Die Namen feiner Stücke schon werden vermutlich einen Begriff von ihrer Beschaffenheit geben. Ich finde z. B. unter seinen Manuskripten folgende Titel: „Das Fest der Harpye“, „Die Herrn zu Benevento“, „Das Hinabsteigen des Orpheus in den Hades“, „Der böse Blick“, „Die Eumeniden“, und manche andere, die eine gewaltige Einbildungskraft beurkunden, welche sich im Unsichtbaren und Übernatürlichen gefällt, aber oft, vermögen einer erhabenen und zarten Fantasie, durch Passagen von ausnehmender Anmut und Schönheit erfreut. Es ist wahr, dass, bei der Wahl seiner Vorwürfe uns der alten Fabel, Gaetano Pisani dem fernen Ursprung und dem früheren Genius der italienischen Oper weit treuer blieb, als seine Zeitgenossen. Dieser zwar verweichlichte Sprössling aus der alten Vermählung von Gesang und Drama hatte, als er nach langer Verborgenheit und Entthronung, ein schwaches Zepter, wenn auch einen prächtigeren Purpur, an den Ufern des etrurischen Arno oder unter den Lagunen Venedigs wieder erlangte, alle seine ersten Eingebungen aus den fernliegenden klassischen Quellen der heidnischen Sage geschöpft; und Pisanis „Hinabsteigen in den Hades“ war nur eine kühnere, dunklere und wissenschaftliche Wiederholung der „Eurydike“, welche Jacopo Peri in Musik gesetzt hatte bei der festlichen Hochzeit Heinrichs non Navarra mit Maria von Medicis.1 Dennoch, wie schon gesagt, behagte im Ganzen der Stil des neapolitanischen Musikers den Ohren wenig, welche durch die mehr süßen und schmeichelnden Melodien des Tages verzärtelt und ekel geworden waren; und leicht zu entdeckende Fehler und Ausschweifungen, die oft dem Anschein nach ganz mutwillig waren, dienten den Kritikern als Entschuldigung ihrer Abneigung. Zum Glück — denn sonst hätte der arme Musiker Hungers sterben können — war er nicht bloß Komponist, sondern auch ein trefflicher ausübender Künstler, besondere auf der Violine und mit diesem Instrument erwarb er sich ein anständiges Auskommen als Mitglied des Orchesters bei dem großen Theater San Carlo. Hier hielten förmlich und streng vorgeschriebene Aufgaben seine exzentrischen Launen notwendigerweise so ziemlich im Zaum, obwohl berichtet wird, dass er nicht weniger alle fünf Mal von seinem Notenpult habe abtreten müssen, weil er die Kenner erschreckt, und das ganze Orchester in Verwirrung gebracht hatte durch improvisierte Variationen von so ergreifender und wahnsinniger Art, dass man wohl hätte wähnen können, die Harpyien oder Hexen, welche ihm seine Kompositionen eingaben, haben mit ihren Krallen sein Instrument gepackt. Aber die Unmöglichkeit, einen gleich trefflichen Künstler, wie er, in seinen hellen und ordentlichen Zeiten, war, aufzutreiben, ha