1. KAPITEL
Noch zehn Minuten“, brummte Thomas mit zusammengebissenen Zähnen und richtete sich noch einmal im Sattel auf. Es war bitterkalt, der Boden dick mit Schnee bedeckt. Aus den tiefhängenden Wolken begannen erneut dicke, weiche Flocken zu fallen. Selbst in der Dunkelheit erkannte er, dass das Wetter immer schlechter wurde. Der Himmel hing bleiern über ihm, der Wind war eisig und unbarmherzig.
Trotz seines dicken Mantels verspannten sich seine Rückenmuskeln erneut und seine Schultern sackten nach vorn. Welche Erleichterung, gleich Hailsham Hall zu erreichen!Die nassen Kleider abstreifen und mich vor einem lodernden Feuer aufwärmen! Er bezweifelte, dass seine Gastgeber seinetwegen aufgeblieben waren. Der Schnee hatte viele Reisepläne zunichte gemacht und sie würden ihm seine Verspätung sicher verzeihen. Er freute sich darauf, ein paar Tage mit ihnen zu verbringen, obwohl er im Moment nichts dagegen hätte, ohne Umwege zu Bett zu gehen. Das Wetter machte das Reiten anstrengend, und er war erschöpft.
Umsichtig und mit fester Hand lenkte er sein Pferd die verschneite, gewundene Auffahrt hinauf. Ihm bot sich ein wunderschöner Anblick: Die Bäume rechts und links des Weges waren in Raureif gehüllt. Der Park dahinter schien sich ins Unendliche zu erstrecken, da eine jungfräulich weiße Decke Mauern und Hecken verhüllte.
Wie bei allen großen Landsitzen schien auch diese Auffahrt nicht enden zu wollen. Nach einer weiteren halben Meile stieg Thomas schließlich vor dem Haus ab, das völlig dunkel vor ihm lag. Nicht eine einzige Kerze leuchtete hinter den Fenstern. Rasch eilte er die Eingangstreppe hinauf und betätigte den Klopfer am Portal, wobei er angestrengt auf eine Bewegung oder ein Geräusch von drinnen lauschte.
Zu seiner Überraschung öffnete sich die Tür beinahe sofort und der alte Butler, der schon ewig im Dienst seines Freundes Heydon stand, empfing ihn. Perkins musste gut siebzig Jahre zählen, was ihn jedoch keineswegs zu beeinträchtigen schien.
„Guten Abend, Mylord“, sagte er mit einer angemessenen kleinen Verbeugung und spähte dabei ins Dunkel hinaus. „Kamen Sie bei diesem Wetter zu Pferde?“
„Ja.“
„Und Ihr Wagen? Ihr Gepäck?“
„Ich denke, es wird morgen früh eintreffen.“ Er war zeitgleich mit seiner Kutsche aufgebrochen, doch auf den vereisten Straßen war er mit dem Pferd schneller vorangekommen als das schwerfällige Gefährt, das seinen Kammerdiener und sein Gepäck beförderte. Der Kutscher war ein vernünftiger Mann und hatte bestimmt irgendwo unterwegs Halt gemacht, um auf besseres Wetter zu warten.
„Sehr wohl, Mylord.“ Zügig half der Butler Thomas aus dem durchweichten Mantel und nahm ihm die Handschuhe ab. „Die Forest-Suite steht für Sie bereit. Leider wurden Lord und Lady Heydon und ihr kleiner Sohn durch den Schnee in Hampshire aufgehalten. Sie schickten jedoch eine Nachricht, dass wir Sie erwarten sollen, und bitten, ihnen ihre Abwesenheit nachzusehen.“
„Ich hörte, in Hampshire und weiter im Westen habe es noch viel heftiger geschneit.“
„So ist es, Mylord. Ich werde Sie gleich hinauf zu Ihren Räumen bringen. Wenn Sie mich nur einen Moment entschuldigen wollen, damit ich jemanden schicken kann, der Ihr Pferd versorgt.“
„Selbstverständlich.“
Kurz darauf kehrte der Butler zurück, doch die Wärme des Hauses war noch nicht in Thomas’ Glieder eingedrungen. Er hoffte, in seiner Suite würde ein kräftiges Feuer auf ihn warten.
„Wünschen Sie, dass Ihnen heißes Wasser gebracht wird? Oder vielleicht frische Kleidung?“, fragte Perkins, als er schon die Treppe in den ersten Stock hinaufging.
„Danke, nein, es muss nicht der ganze Haushalt geweckt werden“, erwiderte Thomas. Das Haus war ganz still. Wahrschein