1. KAPITEL
Diesen Valentinstag macht Amor keine Gefangenen …
Carol Snow griff nach der Cartoon-Grußkarte auf dem Schreibtisch ihrer Assistentin, die den berühmten Himmelsboten in Tarnkleidung zeigte, mit Pfeil und Bogen im Anschlag. Gleichmütig klappte sie die Karte auf, um einen Blick auf die Grußworte innen zu werfen.
Kapitulation ist daher deine einzige Chance. Im Hintergrund wehte matt eine weiße Fahne. Unten war der Name „Stan“ hingekritzelt. Stirnrunzelnd drehte Carol die Valentinskarte um und stellte nicht wirklich überrascht fest, dass sie ein Produkt vonMystic Touch Grußkarten war, der Firma, für die sie arbeitete. Stan musste auch ein Angestellter sein. Genervt von der fröhlichen Gefühlsduselei warf sie die Karte zurück auf den vollgepackten Schreibtisch. Zum Glück hatte sie mit dem kreativen Bereich des Unternehmens nichts zu tun und war nicht den ganzen Tag von diesem hirnlosen Blödsinn umgeben.
Carol warf einen ungehaltenen Blick auf ihre Assistentin Tracy, die ihr den Rücken zuwandte, während sie leise im Flüsterton telefonierte, womit sie, soweit Carol es mitbekommen hatte, die meiste Zeit des Tages verbracht hatte. Carol verdrehte die Augen.Bestimmt ein neuer Lover. Wahrscheinlich Stan, der Typ, der die Valentinskarte geschickt hatte.
Ihren zunehmenden Frust verdrängend schaute Carol auf ihre Uhr – wenn das so weiterging, würde sie zu spät zum monatlichen Meeting ihres Buchclubs kommen.
Sie räusperte sich demonstrativ. Tracy legte eine Hand über die Sprechmuschel des Telefons und drehte sich mit reichlich banger Miene zu Carol um. „Ja, Ms Snow?“
„Bevor ich gehe, muss ich mit Ihnen über dieses Projekt sprechen.“
„Okay.“
Ihre Assistentin stockte, woraufhin Carol die Lippen spitzte und einwarf: „Und ich muss jetzt gehen.“
Tracy sah auf die Uhr. „Aber es ist erst achtzehn Uhr … Sonst bleiben Sie bis zwanzig oder einundzwanzig Uhr.“
Carol erstarrte, als die junge Frau unterschwellig auf ihr Privatleben anspielte.
„Heute Abend nicht.“
„Sind Sie krank?“
Carol runzelte die Stirn. „Nein. Würden Sie bitte auflegen, damit wir reden können?“ Tracy nahm die Hand von der Muschel und murmelte leise etwas, bevor sie den Hörer wieder in die Basisstation stellte. „Was gibt’s denn?“
Carol biss sich innen auf die Wange.Was es gibt? „Nun, dieses Memo für den Quartalsbericht. Es strotzt nur so vor Tippfehlern.“ Sie reichte das Blatt Papier hinüber, auf dem sie die Fehler mit einem roten Marker eingekringelt hatte.
Tracy biss sich auf die Lippe. „Oh. Ich werde es noch mal machen.“
„Wenn ich morgen früh komme, möchte ich die korrigierte Version auf meinem Schreibtisch“, sagte Carol.
„Ja, Ma’am.“
„Und, Tracy: Sie haben viel Zeit mit Telefonieren zugebracht – dadurch hinken wir beide in der Arbeit hinterher.“
Die junge Frau nickte. „Ja, Ma’am. Tut mir leid.“
Carol stieß einen Klagelaut aus und zog sich wieder in ihr Büro zurück. Es war mit dunklen Möbeln eingerichtet und angemessen geräumig für die Leiterin der Finanzabteilung. Ein Erkerfenster bot eine schöne Aussicht auf die Skyline von Atlanta, ließ