Andre Norton
Die träge Flut der Fahrzeuge schwappt von einer Ampel zur nächsten, als Kulisse dienen gigantische Werbeträger und riesige Wahrzeichen: Pizza Hut, Burger King, Hungry Man Restaurant, Puppies& Guppies, Pantry Pride, Kentucky Fried Chicken, International House of Pancakes, Bicycle Castle, Bob’s Pool Service, Majik Market, McDonald’s, Wendy’s Hamburger, The Sun Bank (»24 Stunden geöffnet«), Denny’s, eine Selbstbedienungstankstelle, die Sundance Wohneinheiten (»Wenn Sie hier wohnen würden, wären Sie jetzt schon zu Hause!«) …
Es ist eine Beton-Ödnis, die Orlando, Florida, umschließt und endlos zu sein scheint. Doch nach ungefähr 15 Kilometern erreiche ich Winter Park, ein ruhiges Städtchen, das vom vorstädtischen Zersiedlungsgebiet umschlossen ist. Hier sind die Gebäude älter und die Größenverhältnisse mehr den Menschen und weniger den Autos angepasst. In der Tat haben einige Leute ihre Autos verlassen und schlendern die Gehsteige entlang. Ein Rasensprenger sprüht Regenbogen; Eidechsen dösen in der Sonne; pastellfarbene Häuser im Ranch-Stil in Rosa, Blau und Grün stehen im Halbschatten von Eichen, Ahornbäumen, Fichten, Palmen und exotisch aussehenden farnartigen Bäumen, die in Florida heimisch, mir aber völlig fremd sind. Andre Nortons Haus steht in dieser Straße.
Früher, vor langer Zeit, war sie Alice Norton. Als sie aber in den 1930er-Jahren anfing Kurzgeschichten zu verkaufen, gehörte es sich einfach nicht für eine Frau, temporeiche Action-Abenteuer zu schreiben. So wählte sie Andre als angemessen opakes Pseudonym.
Sie ist eine grauhaarige, eher zurückhaltende, damenhafte Endsechzigerin. Sie gibt nur selten Interviews, schätzt ihre Privatsphäre, reist nie und gestattet keine Fotografien, wohl auch, weil diese dem Image, das sie in ihren Büchern pflegt, widersprechen würden. Als sie mich an der Haustür begrüßt und höflich hineinbittet, fühle ich mich plötzlich, als ob ich meine Tante besuchen würde.
Ihr Wohnzimmer ist groß, dämmrig und voller Schatten. Es gibt schier endlose Regalmeter mit Zierrat, Bildern und Miniaturen, alles peinlich sauber und ordentlich. Die Sitzordnung hat sie schon im Voraus festgelegt; sie führt mich zur Couch und nimmt mir gegenüber auf einem gut erhaltenen Sessel mit gerader Rückenlehne Platz. Zwei Katzen trippeln herbei und beschnüffeln mich, als ich das Mikrofon aufbaue. Eine andere sitzt, unergründlich schauend, auf dem Esstisch. Zwei weitere lauern in anderen Teilen des Raumes und nochmals zwei sind draußen in einem großen Käfig, der an der Rückseite des Hauses angebaut wurde, um es denFelis domestica zu ermöglichen, die Sonne Floridas ohne die Gefahren des Straßenverkehrs zu genießen.
Da in meiner Vorstellungswelt Andre Norton nicht daran gewöhnt ist, mit Fremden über sich selbst zu sprechen, beginne ich damit, sie einfach über die Eckdaten ihrer Karriere zu befragen.
»Ich schreibe seit 1934«, informiert sie mich. »Bis zum Ende dieses Jahres werde ich 98 Bücher veröffentlicht haben. Darüber hinaus habe ich sieben Anthologien herausgebracht und bei sechs Büchern mit anderen Leuten zusammengearbeitet.
Ich schrieb meinen ersten Roman in der Highschool, aber ich verkaufte ihn nicht. Ich verkaufte mein zweites Buch, als ich 21 Jahre alt war. Dann nahm ich mir das erste nochmals vor, überarbeitete es, und verkaufte es dann auch.
Ich mochte Science Fiction schon immer und las H. G. Wells, Jules Verne, Abraham Merritt und einige