Das eisige Kribbeln einer dunklen Vorahnung stieg an meinem Nacken empor, noch bevor ich um die Straßenecke trat und das gelbe Absperrband des NYPD sah.
Ein Schauer ging durch mich hindurch. Trotz meines langen Lieblingsmantels, in den ich mich gekuschelt hatte, war ich vollkommen durchgefroren. Der Oktober in New York war normalerweise recht mild, aber in den letzten Tagen war es ziemlich abgekühlt. An sich machte mir kaltes Wetter nichts aus, allerdings hatte ich heute den letzten Bus verpasst. Und nun war ich schon seit über einer Stunde in den kalten, nassen Straßen New Yorks unterwegs und hatte mich durch dunkle Gassen geschlagen, in die sich Frauen meines Alters und meiner schmalen Statur wahrscheinlich nicht einmal mit einer geladenen Waffe in der Hand getraut hätten. Aber obwohl ich so eilig gegangen war, dass das schlammige Wasser der Pfützen fast bis zum Rand meiner abgewetzten Stiefel hochgespritzt war, war ich trotzdem viel zu spät dran. Und jetzt, als ich in die 3rd Avenue einbog, gerade mal drei Blocks von meinem Ziel entfernt, und das gelbe Absperrband in der Ferne sah, wusste ich, dass ich es im Leben nicht mehr rechtzeitig schaffen würde.
Beinahe automatisch wurden meine Schritte langsamer, mein Atem ging schneller und irgendwo in meiner Brust machte mein Herz einen unangenehmen Hüpfer. Das hier war New York, und es war nicht das erste Mal, dass ich in dieser Gegend eine Polizeiabsperrung sah. Unfälle, Prügeleien, das waren alles alltägliche Dinge, die hier ständig passierten. Obwohl Melrose nicht die allerschlimmste Gegend war, war es doch immer noch die Bronx.
Aber irgendetwas sagte mir, dass das hier etwas anderes war. Vielleicht das eisige Kribbeln in meinem Nacken, das mich schon seit ein paar Straßen begleitete und das jetzt ein Stückchen tiefer wanderte und sich wie eine kalte Hand um mein Herz legte.
Ich hätte wahrscheinlich einfach direkt einen Bogen schlagen und noch ein Stück weiter um den benachbarten Block gehen sollen. Das wusste ich, aber aus irgendeinem Grund bewegten sich meine Füße trotzdem auf die abgesperrte Gasse zu, die ich normalerweise als Abkürzung zumRhapsody nahm. Das Blaulicht des Polizeiwagens hinter dem gelben Band warf unheimliche Schatten auf die umstehenden Häuser. Sie erinnerten an dunkle Dämonen, und das Engegefühl in meiner Brust wurde noch stärker. Drängender. Irgendetwas hier fühlte sich seltsam an. Vertraut, aber unheimlich, wie eine Gruselgeschichte, die man als Kind tausendmal gehört hatte und die einem immer noch einen Schauer über den Rücken jagte.
Natürlich war ich nicht die einzige Schaulustige. Trotz der späten Stunde hatten sich eine Handvoll Fußgänger an dem gelben Absperrband versammelt, tuschelten miteinander und schüttelten mit entsetzten Blicken ihre Köpfe.Wie schrecklich, konnte ich in dem Gemurmel hören, als ich die Arme um mich schlang und noch etwas näher trat. Ich versuchte, über die im Weg stehenden Polizisten und ihre blinkenden Autos etwas zu sehen, etwas, das mir erklärte, was hier passiert war. Warum die ganze, verdammte Gasse komplett abgesperrt war.
Und dann sah ich ihn.
Zwischen den Police Officern, die in der Gasse standen, fiel er auf, obwohl er eine ähnliche Uniform trug. Pechschwarze Haare, an den Seiten abrasiert und darüber gerade lang genug, um sich ein wenig zu kräuseln – das einzig unordentliche an seiner gesamten Ausstrahlung. Ein Paar stechend dunkler Augen, die jedes Mal bis in mein Innerstes zu blicken schienen – und von denen ich wusste, dass sie bei näherer Betrachtung ein tiefes Waldgrün waren. Der gerade Rücken eines ehemaligen Soldaten. Und die Detective-Jacke, die auf der linken Brust und auf den Oberarmen das Zeichen des 42. New York Police Departements trug, mit einem kleinen, leicht zu übersehenden Zusatz, der ihn als etwas Besonderes auswies. Ein goldenes Emblem in Form eines Schilds.
Hayes.
Mein Herz stolperte, und beinahe automatisch schob ich mich hinter zwei Frauen, die sich direkt an die Absperrung drängten und miteinander tuschelten. Zwischen ihren zusammengesteckten