1. Kapitel
Ich muss sagen, es war ein reiner Zufall, dass ich nach Deutschland kam. Mein Onkel Phipps sollte zu der amerikanischen Mission nach Deutschland gehen und ich war gerade da, als Tante Ketta sagte: »Ich denke garnicht daran, nach Berlin zu gehen. Ich habe mich mit der ganzen Bande für Miami verabredet und ich müsste mir lauter andre Sachen für ein kaltes Land anschaffen.«
»Onkel Phipps«, sagte ich, »nimmmich mit. Ich würde rasend gern mitkommen, ich könnte zum Beispiel Fonds für eine Kantine sammeln oder Kleider für Polen oder Bündel für ausgebombte Engländer.«
»Das ist garnicht nötig«, sagte Onkel Phipps, »komm nur mit. Du kannst chauffieren, eine Schreibmaschine zertrümmern und Photos machen. Dafür kann ich dich gerade brauchen.«
»Vergiss nicht, Onkel Karl, ich bin ein selbstständiger Mensch.«
Anfang Mai verabschiedete ich mich von der ganzen Bande und wir gingen noch mal ins Twenty-one. Ich ging in meinem großen Abendkleid von Chanel zum Aerodrom mit einem Pfauenfächer, das Neueste aus Paris. Ich war die Erste, die ihn hatte. Er wird an einer langen Stange von einem der jungen Leute hinter einem getragen. Meinen trug der Sohn vom Governor Perry. Er war der bestaussehende Junge von uns. Und alle beneideten mich. Er sagte, ich sei eine Närrin, nach dem wilden Europa zu gehen, wenn ich in dem schönen New York mit seinem sanften Klima und noch sanfteren Sitten bleiben könnte. Dass ein Mensch aus Vergnügen nach Europa ginge, habe er überhaupt noch nicht gehört. Er will mich heiraten und wir wollen dann sehr viel Geld ausgeben, denn das ist das, was die Regierung verlangt. Von einem bestimmten Verbrauch an werden die Steuern herabgesetzt. Wenn man fein ist, sagt man: »Unser Haus wird wahrscheinlich vier Jahre zu bauen dauern. Wir wohnen jetzt in einem Flügel.« Man lässt sich die Wände bemalen oder mit Figuren bedecken. Gianetto und Rosenbaum, die jetzt so en vogue sind, brauchen für einen geschnitzten Stuhl mindestens ein halbes Jahr, man kann sich vorstellen, wie lange sie für eine Einrichtung brauchen. Niemand, der irgendwas auf sich hält, kauft Sachen, die am laufenden Band angefertigt werden. Es ist garnicht zu sagen, wie teuer die Sachen dann werden. Gianetto und Rosenbaum stellen ihre Rechnungen so aus, dass sie einem aufschreiben: 2000 Dollar für Lohn, 1000 Dollar Entwurf, macht 3000 Dollar. Mit so einer Rechnung geht man zur Steuer und auf die 2000 Dollar Lohn braucht man keine Steuern zahlen. Seitdem werden kaum mehr große Brillanten gekauft, sondern Ketten mit 100 Splittern, die kunstvolle Formen haben. Frauen von Senatoren zum Beispiel tragen nur noch sogenannten ›Gehörn-Schmuck‹, das sind Schmucksachen, die über 500 Arbeitsstunden gekostet haben von der Firma Gehörn. Auch Bilder werden so gekauft. Die modernen Maler dürfen auf jedes Bild die Arbeitsstunden von zwei Studienjahren drauflegen. Infolgedessen ist Rembrandt sehr im Preis zurückgegangen und wir kaufen alle den Henry Porter, der sehr schöne Bilder malt, aber außerdem zwanzig Jahre studiert hat. Die Bilder kosten einen fast garnichts.
Was aber meine Heirat mit Clark Perry angeht, so sind wir schließlich beide erst 19 Jahre alt.
Als ich ins Flugzeug stieg, brüllten sie alle durchs Megaphon und sangen und trugen kleine Papierkappen und kurz und gut, es war himmlisch. Als das Flugzeug sich in Bewegung setzte und ich den guten alten friedlichen Kontinent verließ, um in das wilde, unkultivierte Europa zu fahren, da war mir doch sehr anders und ich ging in die Bar, um einen Cocktail zu trinken. Neben mir saß ein junger Engländer mit einem me