: Lucy Maud Montgomery
: Lucy Maud Montgomery
: Anne in Avonlea Anne auf Green Gables Band 2
: Anaconda Verlag
: 9783641291631
: Anaconda Kinderbuchklassiker
: 1
: CHF 4.40
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die rothaarige Anne mit der regen Fantasie lebt mit ihrer Ziehmutter Marilla auf Green Gables und ist unten im Ort, in Avonlea, nun als Lehrerin aktiv. In ihrer quirligen Klasse ist natürlich immer was los, und bei all den kauzigen Leuten in der Nachbarschaft auch. Trubel bringen die Adoptiv-Zwillinge Davy und Dora ins Haus. Insgesamt lebt es sich herrlich auf der kleinen kanadischen Insel, denn Anne liebt die Begegnungen mit Menschen aller Art und die aufregenden Abenteuer in der Natur. Dieses Buch über Annes Teenagerjahre schließt an die hinreißend erzählten Kindheitsjahre von 'Anne auf Green Gables' an, dem endlich auch in Deutschland vielgelesenen Mädchenbuch-Klassiker.
  • Pippi Langstrumpfs Vorbild aus Kanada
  • Das quirlige Waisenmädchen mit den roten Haaren: Selbstbewusste Heldin mit Riesenfangemeinde
  • Hie geht's um Ganze: Gerechtigkeit, Toleranz, Selbstbestimmung, Liebe


Lucy Maud Montgomerywurde 1874 geboren und war eine gefeierte kanadische Kinder- und Jugendbuchautorin. Zeit ihres Lebens veröffentlichte sie zahlreiche Bücher, darunter Romane, Gedichte und Essays. Besonders viel Erfolg hatte sie mit der Reihe rund um das Waisenkind Anne. Der erste Band wurde 1908 veröffentlicht und avancierte sofort zum Bestseller.

1 – Ein erzürnter Nachbar


An einem Spätnachmittag im August setzte sich ein großes, schlankes Mädchen, sechzehneinhalb, mit ernsten grauen Augen und – wie ihre Freunde sagten – goldbraunem Haar auf die breite, rote Steinstufe eines Farmhauses auf der Prinz-Edward-Insel in der festen Absicht, Verse von Vergil zu übersetzen.

Doch ein Augustnachmittag, an dem sich blauer Dunst auf die erntereifen Hänge legt, ein Lüftchen elfenhaft in den Pappeln säuselt und in einer Ecke des Kirschgartens eine wogende Pracht roter Mohnblumen leuchtend gegen das dunkle Geäst junger Tannen absticht, verführt doch eher zum Träumen als eine tote Sprache. Bald glitt der Vergil unbeachtet zu Boden, und Anne, das Kinn auf die Hände gestützt, den Blick auf die prächtige Masse fluffiger Wolken gerichtet, die direkt über dem Haus von Mr J. A. Harrison wie ein hoher weißer Berg emporragte, befand sich weit weg in einer herrlichen Welt, in der eine ganz bestimmte Lehrerin großartige Arbeit leistete, die Talente künftiger Staatenlenker förderte und Herzen und Hirne junger Menschen für hehre Ziele begeisterte.

Nun ja, die schnöde Faktenlage – mit der sich Anne, zugegeben, selten befasste, außer es ließ sich gar nicht vermeiden – sprach gegen allzu viele verheißungsvolle Anwärter für Berühmtheiten an der Schule von Avonlea; aber man wusste nie, was passieren mochte, wenn eine Lehrerin ihre ganze Strahlkraft entfaltete. Anne hatte rosarot durchwirkte Idealvorstellungen davon, was eine Lehrerin erreichen konnte, wenn sie es nur richtig anging; und sie steckte mitten in einer hinreißenden Szene vierzig Jahre in der Zukunft mit einer berühmten Persönlichkeit – der genaue Grund für ihre Berühmtheit blieb im Unklaren, doch Anne gefiel der Gedanke, dass es ein Universitätspräsident war oder ein kanadischer Premierminister –, die sich tief über ihre runzlige Hand beugte und ihr beteuerte, niemand anderes als sie habe damals seinen Ehrgeiz entfacht, und dass seine gesamte Lebensleistung auf dem Unterricht beruhe, den sie vor ach so langer Zeit an der Schule von Avonlea erteilt habe. Eine höchst unschöne Störung machte dieses schöne Traumbild zunichte.

Eine scheue kleine Jerseykuh kam des Weges getrabt, und fünf Sekunden darauf war auch Mr Harrison eingetroffen – wobei das Wort »eintreffen« zu neutral gewählt sein mag, um die Art zu beschreiben, wie er in den Garten platzte.

Statt das Tor zu öffnen, sprang er über den Zaun und baute sich wütend vor der verblüfften Anne auf, die sich erhoben hatte und ihn einigermaßen verwundert ansah. Mr Harrison war der neue Nachbar zur Rechten, sie hatte ihn schon ein, zwei Mal gesehen, aber noch nie getroffen.

Anfang April – Anne war da noch nicht vom Queen’s College nach Hause zurückgekehrt – hatte Mr Robert Bell, dessen Farm westlich an das Grundstück der Cuthberts grenzte, alles verkauft und war nach Charlottetown gezogen. Erworben hatte seinen Hof ein gewisser J. A. Harrison, von dem man nicht mehr wusste als diesen Namen und dass er aus New Brunswick stammte. Aber er lebte noch keinen Monat in Avonlea, da stand er bereits in dem Ruf, eine seltsame Person zu sein – ein »Spinner«, wie Mrs Rachel Lynde sagte. Mrs Rachel nahm nie ein Blatt vor den Mund, wie diejenigen unter euch, die bereits ihre Bekanntschaft gemacht haben, sicher noch wissen. Mr Harrison war eindeutig anders als die übrigen Leute – was, wie jedermann weiß, einen Spinner a