: Eric-Emmanuel Schmitt
: Noams Reise (1) ? Der Morgen der Welt Roman
: C. Bertelsmann
: 9783641286736
: Noams Reise
: 1
: CHF 13.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 528
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der große Bestsellerautor mit einem faszinierenden Roman über die Anfänge der Menschheit
Noam wurde vor 8.000 Jahren geboren, in der Jungsteinzeit, als sich die bis dahin umwandernden Menschen in Gruppen niederließen. Von seinem Vater, dem Clanchef Pannoam, viel zu jung verheiratet, verliebt sich Noam in die hinreißende Nura. Als er diese zur Zweitfrau nehmen möchte, schockiert ihn Pannoam, indem er Nura selbst heiratet. Noam verlässt das Dorf und findet Unterschlupf bei dem baumstarken Jäger Barak, bei dem er die alten Freiheiten der Jäger und Sammler kennenlernt. Doch eines Tages flieht Nura zu Noam in die Wälder und gesteht ihm ihre Liebe. Pannoam fordert daraufhin den eigenen Sohn zu einem rituellen Kampf ... Dann steigt das Wasser des Sees unaufhörlich, und Noam muss einen Ausweg finden. Dieses Ereignis, das bald zum Mythos wird, besiegelt auch Noams Schicksal, der, seiner Sterblichkeit beraubt, die Zeiten durchqueren muss ...

Ein mitreißender und kenntnisreicher Roman von biblischer Wucht. Beim Lesen taucht man fasziniert ab in eine archaische Welt und ist bestens unterhalten.

Eric-Emmanuel Schmitt, französischer Schriftsteller, Bühnenautor und Filmemacher, wurde 1960 in St.-Foy-les-Lyon geboren. Mit seinem Roman 'Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran' (2001) wurde er zum Bestsellerautor mit großer Fangemeinde, auch in Deutschland. Seine Bücher wurden seither in 48 Sprachen übersetzt, seit 2016 ist er Mitglied der Académie Goncourt. Während einer Pilgerreise ins Heilige Land, die Schmitt im September 2022 auf Wunsch des Vatikans unternahm, entstand sein neuestes Buch 'Jerusalem: Meine Begegnung mit dem Heiligen Land'.

PROLOG


Ein Schauer.

Zunächst ein Schauer.

Er ist beharrlich, breitet sich aus, bekommt Risse, vervielfacht sich, wird zu zwei, fünfzehn, fünfzig Schauern, die die Haut erobern, die Sinne wecken, einen überwältigen.

Der Mann öffnet die Lider.

Die Nacht … Die Stille … Die Kühle … Der Durst …

Er betrachtet die Finsternis um sich herum. Die Dunkelheit würde ihn erschrecken, wenn er nicht wüsste, wo er sich befindet. Zusammengekauert auf dem feuchten Kalkstein, atmet er die belebende, erquickende Luft, die seine Lungen füllt und seine Eingeweide zum Leben erweckt. Lust zu leben … Wie schön ist doch eine Wiedergeburt! Besser als eine Geburt …

Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben, verschwinden die Schauer: Der Mann ist sich seines Körpers bewusst geworden.

Er gibt die Embryonalhaltung auf, dreht sich vorsichtig auf den Rücken und konzentriert sich minutiös auf verschiedene Teile seiner Anatomie. Gelenkt von seinem Willen, heben sich seine Arme über sein Gesicht, die Finger krümmen sich, ihre Knorpel knacken, die Hände senken sich, streichen über seine Brust, fahren über seinen Bauch. Er befiehlt seinen Knöcheln, sich zu lockern, hebt die Füße, neigt sie nach links, nach rechts, lässt sie kreisen und drückt die Schenkel gegen seine Brust. Alles gehorcht perfekt. Leidet er unter Nachwirkungen, irgendwelchen Beschwerden? Sein sorgfältiges Abtasten bestätigt ihm, dass er nicht einmal eine Narbe hat. Sein fünfundzwanzigjähriger Organismus ist ihm unversehrt zurückgegeben worden.

»Noam.«

Sein Name vibriert in der dunklen Höhle. Uff! Seine Stimme funktioniert ebenfalls.

Er verzieht das Gesicht. Die Silben, die von den Wänden zurückgeworfen wurden, stören die Atmosphäre; mit einem Wort, einem einzigen, sind die Menschen, die Clans, die Völker, die Nationen, die Geschichte eingedrungen, beklemmende, bedrückende Bedrohungen, so weit entfernt von dem animalischen Glück, das er früher genossen hatte. Noam. Sein Vorname belastet ihn. Noam. Wenn er sich so nennt, flüstern weder eine Mutter noch ein Vater diese Laute. Noam. Einsamkeit. Extreme Einsamkeit. Diesbezüglich ist eine Wiedergeburt weniger wert als eine Geburt …

Er richtet sich auf. Sein Schädel stößt gegen den Stein der Höhle. Ein paar Sekunden lang benommen, massiert er sich die Kopfhaut und beruhigt sich wieder. Aufs Geratewohl beginnt er, aus dieser Höhle in die zweite, benachbarte zu gelangen.

Wo verbirgt sich der Eingang? Seine Handflächen erforschen die Wand, die Spalten, Erhebungen, Biegungen aufweist, aber keine Öffnung. Was? Hat die Explosion, die hier stattgefunden hat, etwa alles einstürzen lassen, den Ausgang zugeschüttet? Verbissen macht er weiter. Vergeblich. Ist er unter Felsblöcken eingesperrt? Sein Herz schlägt schneller, er keucht, an seinen Unterarmen bildet sich Schweiß.

Beruhig dich! Fang systematisch noch mal von vorn an.

Auf Knien sucht Noam sich einen Orientierungspunkt und tastet erneut die Wände ab. Ein Stein gibt nach, ein weiterer, ein dritter: Er hat den Durchgang gefunden.

Er schlüpft hindurch.

Nach rechts.

Er erinnert sich, dass er seine Tasche dort abgestellt hat. Vorausgesetzt, dass die Explosion nicht auch in diesem Fall …

Seine Finger berühren den feuchten, fast lebendigen Stoff.

Beruhigt holt er ein Feuerzeug heraus. Nach ein paar Funken schießt die Flamme empor. Geblendet von dieser Feuerzunge, wendet er den Kopf ab. Er blinzelt, s