Einleitung
Das Wort »Schicksal« bezeichnet ein oder mehrere Ereignisse im Leben eines Menschen, die den Lauf seines Lebens beeinflussen und die durch eine höhere Macht, etwas Übergeordnetes, bestimmt werden. Es gibt auch freundliche, positive Schicksale, doch heutzutage wird der Begriff eher mit Leid und dramatischen Entwicklungen in Verbindung gebracht.
Der Volksmund sagt: Ein jeder hat sein Päckchen zu tragen. Dieses Bild, diese Metapher, wird im vorliegenden Buch noch eine wichtige Rolle spielen, weil wir es wörtlich nehmen werden. Welches Päckchen hast du zu tragen? Die meisten Menschen denken bei dieser Frage an das, was man im Allgemeinen Schicksal nennt. Während der eine bedauert, sich beruflich nie verwirklicht zu haben, kommt ein anderer nicht über den tragischen Verlust einer geliebten Person hinweg. Das eine Kind erlebt Gewalt und Missbrauch und muss aus der Familie genommen werden, ein anderes lebt in einem goldenen Käfig, aus dem es nur durch eine Magersucht entkommen kann. Wurde jemand als Kind gefördert oder eher bis zur Leistungsgrenze zum Erfolg gedrängt? War man der Bruder, die Schwester eines sehr kranken Geschwisterchens oder war dieses gar als Kind gestorben? War man Vaters oder Mutters Liebling oder ein unsichtbares Kind? Während manche Paare sich bereits in ihrer Jugend gefunden haben und bis heute glücklich zusammenleben, erleben andere eine Enttäuschung nach der anderen und finden nie das richtige Gegenüber. Die einen verzichten für ihre Kinder auf Karriere und Ruhm, andere verfolgen ihre beruflichen Ziele mit so viel Ehrgeiz, dass alles andere, selbst die eigene Gesundheit, zurückstehen muss. Nicht selten ist man selbst das Päckchen, weil man sich nicht leiden kann: zu dick, zu groß, zu hässlich, zu dumm, zu laut, zu leise oder einfach nicht liebenswert. Man denkt: »So bin ich eben, das ist mein Schicksal.« Und trotzdem bemühen sich die meisten Menschen, diesem Schicksal zu entkommen oder es zu verwandeln. Vielleicht hoffen sie auch auf einen Prinzen (oder eine Prinzessin), der sie, wie in einem Märchen, endlich aus diesem Bann befreit und sie erlöst.
Hast du dich in einem der Beispiele wiedergefunden? Gibt es ein bestimmtes Thema oder übergeordnetes Muster in deinem Leben, dem du nicht zu entkommen scheinst? Hartnäckig verfolgt es dich, haftet an dir und belastet dich mal mehr, mal weniger. Kannst du dir vorstellen, dass genau dieses Thema deshalb so »zuverlässig« in deinem Leben ist, weil es aus Treue geschieht? Aus Treue zu deinen Eltern und Vorfahrinnen?
Als Kinder haben wir ein sehr genaues Gespür für das Wohlbefinden unserer Eltern und Bindungspersonen. Wir nehmen instinktiv ihre Wunden wahr und üben große Rücksicht, um in ihnen keinen Schmerz auszulösen. Dafür opfern wir sogar unser Potenzial. Wir spüren, dass es so etwas wie einen »familiären Glücksrahmen« gibt, den man nicht überschreiten darf. So bleiben wir mit unseren Möglichkeiten innerhalb dieses Rahmens und erreichen nicht, wozu wir eigentlich in der Lage wären. Gleichzeitig streben wir nach Ausgleich und versuchen das, was unseren Eltern und Großeltern verloren ging, in unserem Leben zu erreichen. Haben diese zum Beispiel Haus und Hof und allen Besitz auf der Flucht zurückgelassen, ist für uns vielleicht der Bau eines eigenen Häuschens das Allerwichtigste. Ist dir klar, ob es deine Lebensziele sind, die du in deinem Leben verfolgst, oder ob du dich damit in den Dienst der Heilung deines Familiensystems gestellt hast? Mit diesem Buch kannst du das und noch viel mehr herausfinden und verstehen, was es braucht, damit du deine eigenen Ziele erkennst und sie leben darfst.
Wir alle haben Wunden und Narben, vielleicht sogar mehrere, und manche von ihnen scheinen nicht heilen zu wollen, was auch immer man unternimmt. Jedes Mal, wenn sie wieder durch etwas oder jemanden aufgerissen werden, schmerzen sie erneut. An welche Wunde oder Narbe musst du spontan denken, und wer hat sie dir zugefügt? War es ein Elternteil durch sein Verhalten dir gegenüber, oder waren es die Umstände, ein Schicksalsschlag, fremde Menschen