Einleitung
Ortsnamen
Das Haus Habsburg
Kaisers Rumpelkammer ist eine Geschichte der riesigen Territorien auf dem europäischen Kontinent, die die Habsburger nach und nach unter ihre Herrschaft brachten. Sie beginnt im ausgehenden Mittelalter und schließt am Ende des Ersten Weltkriegs, nach dem das Reich zerfiel und die Habsburger aus Österreich flohen.
Mit List und Tücke, mit Glück und viel Geschick konnten sich die Habsburger ungewöhnlich lange halten. In gewissem Grad verdanken sich alle großen Reiche dem Zufall, aber für das ihre gilt das in besonderem Maß, denn den Habsburgern fielen ganze Königreiche, Herzogtümer, Marken und Grafschaften zuhauf in den Schoß, weil anderswo Nachkommen ausblieben, Landesherren dem Wahnsinn verfielen oder auf dem Schlachtfeld starben. Sie herrschten über Gebiete zwischen Nordsee und Adria, zwischen den Karpaten und Peru. Ihre vielen Herrschaftssitze waren über ganz Europa verstreut, ihr Kernland aber lag an der Donau, dem großen Fluss, der durch das heutige Ober- und Niederösterreich und ihre einstige Residenzstadt Wien fließt, durch Bratislava, das Pressburg hieß, als sie dort zu Regenten des Königlichen Ungarns gekrönt wurden, und weiter durch Budapest, das später zu einer ihrer großen Hauptstädte wurde.
Über vier Jahrhunderte lang nahm die europäische Geschichte kaum eine Wendung, an der die Dynastie nicht beteiligt war. Habsburger, deren Namen heute kaum noch jemand kennt, haben mit ihren Händeln, Launen und Hintergedanken Einfluss darauf genommen, welche Sprachen Millionen heutiger Europäer sprechen, welche Religionen sie praktizieren, wie ihre Städte aussehen und wo die Grenzen ihrer Länder verlaufen – eine durchaus verwirrende Angelegenheit. Ein ums andere Mal haben sie Mitteleuropa gegen immer neue Angriffswellen der Osmanen verteidigt. Entschlossen sind sie dem Protestantismus entgegengetreten. Und im 19. Jahrhundert, als ganz Europa in nationalistische Raserei verfiel, wurden sie – wenn auch nicht ganz freiwillig – zu Verfechtern der Toleranz. Durch Eheschließungen oder militärische Allianzen haben sie mit so ziemlich jedem Teil Europas, der ihnen noch nicht gehörte, Beziehungen geknüpft. Aus der Perspektive der moisten europäischen Staaten wechselte die Familie der Habsburger so häufig Kostüm und Farben, dass sie in allen Rollen auftreten konnte, als felsenfeste Verbündete ebenso wie als der Leibhaftige selbst. Tatsächlich war der Einfluss der Habsburger so vielfältig und komplex, dass er sich einer moralischen Beurteilung nahezu entzieht, nichts Menschliches war ihnen fremd.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts – als sich die Erbschaften aberwitzig häuften und die Wappenzeichner kaum nachkamen – beherrschte die Familie fast ganz Europa. Eine «chinesische» Zukunft schien sich abzuzeichnen: der Kontinent als ein einziger und einheitlicher Staat. Dazu kam es nicht, denn unter einer Flut unzähliger Faktoren konnte Karl V. seine Vormachtstellung nicht mehr behaupten; nun rächte sich, dass sein Reich aus so vielen Zufällen entstanden war, denn nun wurde er von widersprüchlichen Interessen und Forderungen nahezu überschwemmt. Im Jahr 1555 sah sich Karl, ganz gegen seinen Willen, gezwungen, sein riesiges Erbe aufzuteilen: Die eine Hälfte ging an seinen Sohn Philipp in dessen neuer Hauptstadt Madrid, die andere an seinen Bruder Ferdinand in Wien. Von diesem Umbruch an verfolge ich die Geschichte von Ferdinands Nachkommen, allerdings machten sich die Verwandten in Madrid dann und wann störend bemerkbar, bis sie nach 1700 mit den Wirren des Spanischen Erbfolgekriegs von der Bildfläche verschwanden.
Als ichGerm