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Schiermonnikoog. Freitag, 25. Juli
21:30 Uhr
Es war ihr Chef. Iska van Loon blickte mit einer Geste der Entschuldigung zu Maaike und Marc, bevor sie das Gespräch annahm. »Hey, Dirk, was kann ich für dich tun?«
»Arbeiten.« Er räusperte sich. »Einen Tatort ansehen. Hast du Zeit?«
Nein, hatte sie nicht. Heute war der letzte Tag ihres gemeinsamen Urlaubs. Zwei Wochen im Ferienhaus ihrer Familie, wie die letzten zehn Jahre schon, seitdem sie das Sorgerecht aufgeteilt hatten. Diese zwei Wochen gehörten die beiden ihr, bevor sie sie wieder an ihren Ex-Mann abgeben musste, von jedem zweiten Wochenende abgesehen. Und der letzte Abend war sowieso heilig. Die Skatkarten lagen schon auf dem Tisch, um Mitternacht würden sie einen Horrorfilm gucken, irgendetwas Trashiges mit viel Blut. Außerdem hatten sie vor fünf Minuten Pizza bestellt, es war ihr eigener Vorschlag gewesen.
»Worum geht es denn?«
»Du musst wirklich sagen, wenn es nicht passt. Es ist offensichtlich Mord. Ich dachte nur, weil du eh im Moment auf deiner Nordseeinsel bist …«
»Ein Mord. Hier auf Schiermonnikoog?«
»Die Kollegen von der Polizei vor Ort haben die Meldung eben erst herausgegeben. Eindeutig Mord, aber sehr undurchsichtige Begleitumstände. Vielleicht sowieso ein Fall für uns.« DerDienst Landelijke Recherche der Nationale Politie war unter anderem auf die Strafverfolgung bei schwerer und organisierter Kriminalität sowie die Terrorismusbekämpfung spezialisiert. »Wenn ich jetzt ein Team vom Festland losschicke, wären die erst in ein paar Stunden da. Darum kam ich auf dich.«
»Was ist denn passiert?«
Wenn sie den Fall jetzt annahm, dann würde sie ihn auch zu Ende führen müssen. Wer zuerst am Tatort ankam, übernahm in der Regel auch die Leitung bei den Ermittlungen. Eigentlich brauchte sie keine Entscheidung mehr zu treffen, die war schon gefallen. Urlaub hin oder her, es war ihr Fall. Es hätte sich komisch angefühlt, wenn einer der Kollegen ihn zugeordnet bekommen hätte. Mehr noch, wahrscheinlich hätte sie es Dirk übel genommen, wenn er sie nicht angerufen hätte.
»So ganz schlau bin ich aus den Kollegen nicht geworden, sie berichteten von runenartigen Schriftzeichen. Die Bilder waren verstörend, man muss aber auch sagen, das Licht war schlecht. Ich leite ihre Meldung an dich weiter. Schau dir das alles selbst an. Die Spurensicherung wird wahrscheinlich erst morgen früh eintreffen. Wir telefonieren nachher noch, wenn du dir einen Überblick verschafft hast.«
»Ich mache mich direkt auf den Weg.«
»Danke dir. Bis nachher.«
Sie beendete den Anruf. Marc und Maaike blickten sie an, die beiden hatten jedes Wort mitgehört und wussten, dass sich die Abendplanung gerade geändert hatte.
»Du hast gerade einen Fall bekommen?«, fragte Marc. Sie konnte den Stolz aus seiner Stimme heraushören. Ich bin eine Mutter, mit der man angeben kann, dachte Iska. Na ja, schränkte sie ein. Marc war dreizehn Jahre alt. Sie sollte sich nichts einbilden, das war nicht unbedingt das Alter, in dem man sich als Junge so sehr mit seiner Mutter identifizierte, cooler Beruf hin oder her.
»Ja. Tut mir leid, dass ich unsere Abendplanung durcheinanderbringe.«
»Cool.« Er