1
Die letzte Ratssitzung
»Wie lange wird es denn noch dauern, bis das Urteil endlich gefällt ist?«, fragte Clary. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen mit Warten verstrichen war, aber es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an. In Isabelles schwarz und pink dekoriertem Zimmer gab es keine Uhren – nur Kleiderhaufen, Bücherstapel, Unmengen von Waffen und einen Frisiertisch mit wahllos herumliegenden Make-up-Utensilien, benutzten Haarbürsten und offenen Schubladen, aus denen Spitzenslips, hauchdünne Seidenstrümpfe und Federboas hervorquollen. Das Ganze erinnerte an die Künstlergarderobe vonEin Käfig voller Narren, aber im Laufe der vergangenen zwei Wochen hatte Clary so viel Zeit inmitten dieses glitzernden und glänzenden Durcheinanders verbracht, dass es allmählich eine beruhigende Wirkung auf sie ausübte.
Isabelle stand mit Church auf dem Arm am Fenster. Geistesabwesend streichelte sie den Kater, der sie aus unheilvollen gelben Augen musterte. Auf der anderen Seite des Fensters tobte ein schwerer Novembersturm, und der Regen lief wie Klarlack an den Scheiben herunter. »Nicht mehr lange«, erwiderte sie gedehnt. Sie trug kaum Make-up, nur etwas Wimperntusche, wodurch sie jünger wirkte und ihre dunklen Augen größer erschienen. »Wahrscheinlich fünf Minuten oder so.«
Clary saß auf Izzys Bett, zwischen herumliegenden Modezeitschriften und klirrenden Seraphklingen, und musste mehrfach schlucken, um den bitteren Geschmack aus dem Mund zu bekommen.Ich bin gleich wieder zurück. Ich brauch nur fünf Minuten.
Das waren ihre letzten Worte auf der Dachterrasse gewesen – zu dem Jungen, den sie mehr als alles andere auf der Welt liebte. Inzwischen hatte sie das Gefühl, dass es möglicherweise ihre letzten Worte für Jace gewesen sein könnten.
Clary erinnerte sich noch genau an jenen Augenblick: Die Dachterrasse. Die kristallklare Oktobernacht. Die kalt funkelnden Sterne am wolkenlosen schwarzen Himmel. Die Steinplatten, mit schwarzen Runen verunstaltet und mit Blut und Dämonensekret beschmiert. Jace’ Mund auf ihren Lippen – das einzig Warme in dieser eisigen Welt. Der Morgenstern-Ring an ihrer Halskette.Die Liebe, die kreisen macht die Sonne wie die Sterne. Ihr letzter Blick hinüber zu Jace, als sich die Tür des Aufzugs geschlossen und dieser sie in die Schatten des Gebäudes hinuntergezogen hatte. Sie hatte die anderen im Foyer getroffen, ihre Mutter, Luke und Simon umarmt. Aber wie immer war ein Teil von ihr bei Jace zurückgeblieben, auf der Dachterrasse, allein mit ihm hoch oben über der kalten, leuchtenden, elektrisch funkelnden Stadt.
Maryse und Kadir waren in den Aufzug gestiegen und hochgefahren, um zu Jace zu stoßen und sich die Überreste von Liliths Ritual anzusehen. Es hatte etwa zehn Minuten gedauert, ehe Maryse schließlich zurückgekehrt war, allein, ohne Kadir. Als die Aufzugstür aufschwang und Clary ihr Gesicht sah, kreidebleich, angespannt und aufgewühlt, da wusste sie sofort, dass etwas Schreckliches passiert war.
Die darauf folgenden Minuten erlebte Clary wie in einem Albtraum. Die Gruppe der Schattenjäger im Foyer stürmte auf Maryse z