: Max Dax
: »Was ich sah, war die freie Welt« 24 Gespräche über die Vorstellungskraft
: Kanon Verlag
: 9783985680306
: 1
: CHF 22.60
:
: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Anstiftung zur Inspiration.Was ist Kreativität? Wie entsteht sie? Wie wollen wir leben? Max Dax verführt 24 weltberühmte und prägende Künstler:innen unserer Zeit zu den überraschendsten Antworten.»Weint die Erde, wenn ein Vulkan ausbricht?«, fragt Max Dax die Sängerin Björk. Diese antwortet: »Das ist eine lustige Frage. Wir sind einfach unglaublich stolz darauf, dass sich die Erde ausgerechnet bei uns auf Island meldet.« In seinen Interviews sucht Max Dax die Routine aufzubrechen und das Gespräch als Spiel zu eröffnen. So entstehen witzige, kluge und zum Teil aufsehenerregende Wortwechsel. Ob mit Quincy Jones, Isabella Rosselini oder Nina Hagen, ob mit Yoko Ono, Hans Ulrich Obrist oder Tony Bennett - jedes Gegenüber belohnt seine Aufschläge. »Was ich sah, war die freie Welt« ist ein Spiegelbild der jüngeren Gegenwart, indem es ihre Spannungspole offenlegt: zwischen Tradition und Avantgarde, Identität und Projektion, Introspektion und Glamour.»Seine Interviews sind wie Kurzgeschichten, im Sinne Hemingways, dessen Kurzgeschichten fast alle dialogisch sind. Ihre Dialoge zeichnen sich durch Präzision aus, durch Weglassungen ebenso wie durch präzise Wörter.« Klaus Theweleit»Max Dax ist ein Magier des Interviews: Wenn er fragt, beginnen seine Gesprächspartner nach den verschütteten Geschichten zu suchen, die sie noch keinem erzählt haben.«Sarah Connor

Max Dax ist Kurator, Journalist, Musiker und Schriftsteller. Er entwickelte die Show »Hyper - A Journey into Art and Music «in den Hamburger Deichtorhallen, war Chefredakteur der Magazine Alert, Spex und Electronic Beats und schrieb Bücher über die Einstürzenden Neubauten, CAN und Scooter. 2021 erschien sein Roman »Dissonanz«.

1.


Rindsgulasch Brooklyn


Horst Scheuer


2021, Wien

Horst Scheuer, wo erreiche ich Sie gerade?

Ich sitze an Tisch 13. Wenn Sie das Berger& Lohn betreten und an der Bar nach links in den großen Speiseraum blicken, dann ist es gleich der zweite Tisch links. Ich sitze am Fenster.

Und was trinken Sie zum Gespräch?

Ein Glas Sauvignon.

Auf Ihr Wohl! Sie gehören in meinen Augen zu den selten gewordenen Gastronomen, die Prinzipien haben, die eine Haltung haben. Was für eine Haltung steckt hinter dem Berger& Lohn?

Kennen Sie das Musso& Frank in Los Angeles?

Das kenne ich tatsächlich! Und wenn ich ein Lokal in einer Stadt mag, gehe ich dort immer wieder hin. Die Zahl meiner Reisen nach Los Angeles lässt sich leider an einer Hand abzählen. Und wenn man nicht aufpasst, ist das Musso& Frank irgendwann verschwunden. Es ist eines dieser Lokale, die den Geist einer vergangenen Epoche atmen, die schon immer da waren. Es entspricht auf alle Fälle meiner Vorstellung von einem Amerika vergangener Tage.

Nun, das Berger& Lohn ist in gewisser Hinsicht meine Version des Musso& Frank. Man stelle sich umgekehrt vor, das Berger& Lohn hätte seinen Sitz in New York oder Los Angeles. Dort könnte es nicht ganz so sein wie hier. Aber es wäre mit Sicherheit der Versuch einer größtmöglichen Annäherung an Wien. Und diese Annäherung an ein Wien im Exil, diese Beschwörung eines Alten Europa in der transatlantischen Ferne, die gibt es jetzt genau hier als Umkehrschluss im 18. Bezirk. Ich sehe es immer wieder an Reisenden, die mein Restaurant besuchen, die lieben diesen Twist ganz besonders. Die erkennen dieses Spiel, das der Ort und sein Konzept mit ihnen spielen, oft sehr schnell und geradezu intuitiv. Sie begreifen, dass ich hier am Abend eine Stimmung zu erreichen versuche, wie meine Gäste sie vielleicht auch in einem wienerischen Restaurant eines Wiener Exilanten in Manhattan erleben würden.

Mir ging es ja ebenso, als ich das Berger& Lohn zum ersten Mal betreten habe. In der Musik würde man von Saudade sprechen – ich spürte die Anwesenheit einer Abwesenheit. Wie übersetzt man ein so abstraktes, fast schon lyrisches Restaurantkonzept konkret in einen Raum, eine Speisekarte und in eine Atmosphäre?

Es gibt ein weiteres Vorbild. Das ist der Philosoph und Wiener Aktionist Oswald Wiener, der in den Siebzigerjahren als Staatsfeind aus Österrei