Prolog:
Ankommen
Ich durchwühle die vollgestopften Schränke in meinem Arbeitszimmer. Vor der Tür zum Balkon stapeln sich Ordner mit Steuer- und Versicherungsunterlagen, Mappen mit Urkunden und Zeugnissen, Manuskripte, Tagungsmitschriften, Materialsammlungen zu vergangenen Aufträgen, alte Ausgaben wissenschaftlicher Zeitschriften, Körbe mit Briefen und Kartons mit Erinnerungen an die Babyjahre meiner beiden Kinder. Genervt blicke ich erst auf das Chaos zu meinen Füßen, dann schaue ich zur Beruhigung durch die bodentiefe Scheibe der Balkontür nach draußen. Wie ich die Aussicht aus meinem Elternhaus liebe! Unterhalb des Gartens verläuft ein Tal mit Villenbebauung vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Gegenüber geht ein kiefernbewachsener Hang nach Südosten in dichten Wald über. Schaue ich nach Norden, breitet sich vor mir in einer weiten Senke meine Heimatstadt Eisenach aus.
Ich gebe mir einen Ruck und wende mich wieder meinem unordentlichen Schrank zu, denn ich bin auf der Suche nach dem Tagebuch, das ich im Winter 2001/02 während einer Reise durch Peru und Bolivien geschrieben habe. Ich finde viele Notizbücher voll mit Erinnerungen an andere Reisen, nur nicht dieses. Dann soll es so sein. Ich muss bei meinem Versuch, mich daran zu erinnern, wie mein Weg zur ethnografischen Erkundung Ostdeutschlands seinen Anfang nahm, offenbar darauf verzichten. Wenigstens finde ich das Fotoalbum wieder. Die Bilder sind ordentlich eingeklebt, nur die Bildunterschriften habe ich nicht mehr hinzugefügt. Ich betrachte die vielen Sehenswürdigkeiten und Landschaften, zu denen ich damals mit meiner Studienfreundin Katharina reiste.
Als wir die gemeinsame Reise planten, lag unser Studium der Fächer Ethnologie und Kunstgeschichte an der Universität Leipzig schon hinter uns. Aber eine richtige Vorstellung, was wir mit dem Studienabschluss anfangen sollten, hatten wir beide nicht. Katharina war in ihren alten Beruf in einem Verlag zurückgekehrt, und ich hatte ein knappes Jahr auf archäologischen Ausgrabungen im Süden Brandenburgs Geld verdient, um mir diese Reise leisten zu können. Dahinter stand die aus heutiger Sicht höchst n