: Leila Aboulela
: anderswo, daheim Erzählungen
: Lenos Verlag
: 9783039257010
: 1
: CHF 16.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 238
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nadia merkt in den Ferien in Kairo, wie fremd ihr die Heimat ihrer Mutter geworden ist. Ein zum Islam konvertierter Schotte fliegt nach Khartum, um seine Braut zu heiraten. Als ihr Vater plötzlich stirbt, wird er mit den fremden Riten konfrontiert, die ihm mehr zu schaffen machen, als er geglaubt hatte. Farida muss sich gegen ihren strengen Vater durchsetzen, um in der Schule eine Brille tragen zu dürfen. Schadia, eine Studentin aus einer wohlhabenden sudanesischen Familie, freundet sich in Großbritannien gegen alle Hindernisse mit einem schottischen Kommilitonen aus einer Arbeiterfamilie an. Leila Aboulela verschränkt geschickt die Lebenswirklichkeiten in Ägypten, im Sudan und in Großbritannien miteinander. Ihre Figuren können im 'Anderswo' nicht wirklich zu Hause sein, aber die 'Heimat' ihres Herkunftslandes erscheint ihnen aufgrund ihrer Migrationserfahrungen ebenso fremd. Aboulela erzählt ohne Pathos, dafür mit feinem Wortwitz und einem genauen Blick für die Sehnsüchte der Aus- und Eingewanderten.

Leila Aboulela, geboren 1964 in Kairo, wuchs als Tochter einer ägyptischen Mutter und eines sudanesischen Vaters in Khartum, Sudan, auf. Sie studierte Ökonomie und Statistik an der dortigen Universität sowie Ökonomie und Politikwissenschaft in London. Ab 1990 Dozentin und wissenschaftliche Assistentin in Aberdeen, Schottland. Nach Jahren in Jakarta, Dubai, Abu Dhabi und Doha lebt sie seit 2012 wieder in Aberdeen. Aboulela veröffentlichte fünf Romane, zwei Erzählungsbände und Hörspiele. Ihre Werke wurden mehrfach ausgezeichnet und in rund fünfzehn Sprachen übersetzt. leila-aboulela.com.

Altes und Neues


Ihr Land verstörte ihn. Es erinnerte ihn an das erste Mal, als er einen menschlichen Knochen angefasst hatte, diese ergreifende Einfachheit, diese Stärke. So war die Gegend von Khartum; ein beinfarbener Himmel, eine Klarheit in der Wüstenluft, Kargheit. Eher streng und somit statisch. Er hingegen wurde von Gefühlen getrieben, darum war er hier, darum hatte er Grenzen und Meere überquert und ging nun durch einen Schwall heisser Luft von der Gangway zum Terminal. Sie wartete auf ihn vor dem Eingang zum Flughafen im landesüblichen Gewand, einem blassorangefarbenen Tob, der sie noch schlanker machte, als sie schon war. Ich darf dich nicht küssen. Nein, lachte sie, das darfst du nicht. Er hatte vergessen, wie quicklebendig sie war und wie glücklich sie ihn machte. Sie redete und fragte ihn aus: Bist du gut gereist, bist du hungrig, ist dein ganzes Gepäck angekommen, waren sie am Zoll nett zu dir, ja, ich habe dich auch vermisst. Ihre Stimme stockte, als sie das sagte, denn trotz ihres Zutrauens war sie scheu. Komm, jetzt gehen wir meinen Bruder begrüssen. Sie betraten einen chaotischen, staubigen Parkplatz, wo die Sonne auf den Autos glitzerte.

Ihr Bruder lehnte an einem klapprigen Toyota. Er war schlaksig und hatte einen gekränkten Blick. Er wirkte irritiert. Vielleicht weil er seine Schwester einerseits loswerden wollte und er andererseits Bedenken hatte, dass sie einen Fremden heiraten wollte. Wie nahm er ihn denn jetzt wahr, durch diese schmalen Augen, wie beurteilte er ihn? Da kam ein Europäer ihm die Hand schütteln undsalamu alaikum murmeln, und natürlich trug er Jeans und ein weisses Hemd, aber für einen Ausländer war er eher zurückhaltend.

Sie sass vorn neben ihrem Bruder. Er sass hinten mit seinem Rucksack, der nicht in den Kofferraum passte. Die Autositze waren schäbig, eine dünne Staubsc