Kapitel 1
Antonia
Starnberger See, Sommer, Gegenwart
Antonia fuhr zusammen. Nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht befand sich das des alten Mannes. Seine hellen, kalten Augen bohrten sich in ihre und galliger Atem stieg ihr in die Nase. Eine Hand senkte sich auf ihre Schulter. Hinter ihr stand jemand! Sie schrie auf, doch Anton van Bergens Hand krallte sich in ihre Haut. »Wo ist der Jüngling? Was hast du mit ihm gemacht?«, zischte er. Antonia sah ihn erschrocken an. Was für ein Jüngling?
»Ich … ich weiß nicht, was Sie meinen!«, rief sie panisch und riss sich los.
Plötzlich stand der Alte aus seinem Rollstuhl auf und schrie: »Her mit dem Bild!« Er fasste mit dürren Händen nach ihr, lange Fingernägel näherten sich ihrem Gesicht.
Antonia hüpfte aus dem Bett und knallte dem Alten ihr Kissen mit aller Kraft gegen den Kopf. Mit einem lauten »Puff!« löste sich der alte Mann in eine Wolke von Rauch auf. Entsetzt rannte Antonia zur Tür ihres Zimmers und riss sie auf. Doch hinter der Tür befand sich nicht der Krankenhausflur, sondern ein schummriger kleiner Raum, in dem sie schemenhaft ein Auto erkennen konnte. Sie blickte sich um. Richard van Bergen kam auf sie zu. Sie tat einen Schritt über die Schwelle und schlug die Tür hinter sich zu.
Der Raum kam ihr irgendwie bekannt vor. Es war eine Art Schuppen. Unter ihren nackten Füßen spürte sie gestampfte Erde. Auf einmal quietschten Räder und aus dem Dunkel löste sich ein Schatten. Es war schon wieder der Alte, Anton van Bergen. Schwer atmend schob er seinen Rollstuhl auf sie zu. »Na warte«, keuchte er, »ich krieg dich!« Antonia sah sich um. In dem kleinen Schuppen gab es keine Fluchtmöglichkeit. Der Alte kam immer näher, sie tat einen Schritt rückwärts und stieß mit dem Rücken gegen die Schuppenwand. Ihre Hände fühlten raue Bretter, doch plötzlich verschwand die Wand hinter ihr und Antonia stürzte rückwärts in die Tiefe.
Sie landete weich auf ihrem Rücken. Unter ihr türmte sich ein Berg von schimmernden Münzen. War das Gold? Antonia stützte sich ab und setzte sich hin. Sobald sie ihr Gewicht verlagerte, kamen die Münzen ins Rutschen, erst langsam, dann immer schneller. Die Münzen rissen sie mit sich. Krampfhaft suchte sie nach Halt, irgendwo, doch es gab nichts, nur den Strom von Münzen, der immer schneller in die Tiefe rauschte. Antonia fiel mit ihnen.
Als sie durch die Wasseroberfläche krachte, wurde ihr Sturz gebremst. Rund um sie waren keine Münzen mehr, sondern nur noch dumpf grünliches Wasser ohne oben und unten. Aus irgendeinem Grund wusste Antonia, dass sie sich im Starnberger See befand.
Sie schnappte nach Luft, doch es gab keine. Todesangst stieg in ihr auf. Eine Gestalt tauchte vor ihr auf. Es war Jaron, doch er sah fremd aus. Er trug eigenartig lange Haare, die hinter ihm im Wasser schwebten. Diesen Anblick kannte sie, sie hatte ihn schon einmal irgendwo gesehen, doch sie wusste nicht, wo. Jaron streckte eine Hand nach ihr aus. Dann stand auf einmal wieder der Alte vor ihr, der sie mit langen, kn