Ich war gerade einmal drei Monate in Berlin, als die ersten Coronafälle auftauchten und innerhalb von wenigen Wochen der erste europaweite Lockdown im März 2020 ausgerufen werden sollte. Dies führte dazu, dass ich mein Projekt und im gleichen Atemzug meine Wohnung verlor und mich erst einmal wieder orientieren musste. Zurück nach Köln? In Berlin bleiben? Auf eine Teil- oder Vollzeitstelle bewerben und der Freiberuflichkeit vorläufig den Rücken kehren? Selbstständig sein in Deutschland ist wenig attraktiv, aber während einer globalen Pandemie, in der mehrere Branchen ums Überleben kämpfen, eine echte Herausforderung. Existenzangst wurde mal wieder mein Begleiter, der Herzschmerz rückte dafür kurzzeitig in den Hintergrund. Das alles sollte mir einiges an Kapazitäten abverlangen – vor allem aber emotionale Ressourcen. Ich entschied mich zu bleiben, mich vorläufig nirgends zu bewerben und abzuwarten, ob der Spuk nicht doch schneller vorbei sein würde als gedacht. Den Winter über hatte ich mich so dermaßen in die Arbeit gestürzt, dass ich mir zumindest für die erste Zeit finanziell keine großen Sorgen machen musste. Tat ich aber trotzdem, natürlich.
Ich fühlte mich oft einsam und überfordert von den neuen Gegebenheiten. Zumindest die Wohnungssuche klärte sich recht schnell, und plötzlich hatte ich eine große Altbauwohnung für mich allein. Aber jobtechnisch wurde ich für insgesamt drei Monate in eine Art Coronabedingte Zwangspause versetzt.
Aus viel Halligalli, Arbeit und Menschen in meiner Wohnung wurden einsame Abende auf dem Balkon oder lange Spaziergänge durch den neuen Kiez und ein sich immer wiederholender Tagesablauf, der durch seine Monotonie nicht zu überbieten war. Versteht mich nicht falsch: Ich habe die Zeit durchaus gut genutzt. Aber der Kontrast war einfach zu groß, kam zu schnell.
Irgendwann fing ich an, die Einsamkeit zu genießen und immer mehr zu reflektieren, was eigentlich in den letzten Monaten nach der Trennung geschehen war. Es passierte viel, aber irgendwie auch nicht. Während draußen die Welt stillstand, tobte es in meinem Inneren. Gedankenspiralen, die sich mit der letzten Trennung beschäftigen und Gründe für das Scheitern unserer offenen Beziehung suchten, holten mich immer wieder ein. Allerdings auf eine friedvollere Art, und ich war auf einmal in der Lage, mich auch in meinen Expartner Felix hineinzuversetzen und das erste Mal wirklich zu reflektieren, wieso wir es uns beide in manchen Momenten so schwer gemacht hatten. Wieso unsere offene Beziehung am Ende aufgrund mangelnder Kommunikation gescheitert war. Ich hatte nach unserer Trennung recht schnell die Stadt verlassen und kam erst während des Lockdowns wirklich dazu, mir dessen bewusst zu werden.
Nachdem ich auch den letzten Winkel im Kiez erkundet hatte, saß ich fortan immer öfter irgendwo am Wasser und verarbeitete all die Eindrücke, die einige Menschen bei mir hinterlassen hatten. Auch unschöne Erlebnisse, die mich zeitweise sehr beschäftigten, teilweise sogar traumatisiert hatten, bahnten sich erneut ihren Weg in mein Bewusstsein. Jetzt war ich in der Lage, das Geschehene differenzierter zu betrachten und nicht von unschönen Gefühlen überschwemmt zu werden.
Gerade leben wir in einer Zeit, in der wir über scheinbar nichts mehr die Kontrolle haben. Aktuell ist es schwierig zu planen. Herbst 2020: die Stimmung schlecht, das Wetter noch schlechter. Immerhin gab es einige Tage, an denen die Sonne schien, das letzte bunte Herbstlaub seinen Charme versprühte und irgendwie ein Funken Hoffnung und Frohsinn über allem lag. Das Jahr 2020 neigte sich dem Ende zu, und gefühlt hatte es gar nicht stattgefunden. Natürlich hatte es stattgefunden, aber es war alles anders gelaufen als geplant. Für uns alle. Zumindest war es für mich schwer vorstellbar, dass es Menschen gab, die mit all der Corona-Craziness gerechnet haben.
Auch wenn alles im Moment eher nichts zu sein schien. Denn genau so viel konnte Mensch derzeit unternehmen. Okay, das war vielle