Vorwort
Mut ist etwas Sonderbares. Man hält die Sache für klar und denkt nicht weiter darüber nach, aber in meiner Familie lebte ein Kater, der mich lehrte, dass es so einfach auch wieder nicht ist.
Regelmäßig sah ich ihn jenseits unseres Gartenzauns durch den Stadtpark streifen. Manchmal kam ein Hund des Weges, erspähte von Weitem den mit seinem weiß-roten Fell gut sichtbaren Kater – und sofort passierte, was für solche Fälle die Natur vorgesehen hat: Adrenalingetrieben schoss der Hund wie eine Rakete aus dreißig Metern Entfernung auf seine Beute zu. Nun hätte eigentlich Teil zwei des von der Natur vorgesehenen Programms starten müssen: Mein Kater hätte in höchster Eile auf den nächsten Baum oder über den Zaun fliehen sollen.
Tat er aber nicht. Er stellte sich mit seiner Breitseite auf, machte einen Buckel, sträubte das Fell, fauchte und hob die Tatze. Und machte die Erfahrung, dass es wirkte. Die meisten Hunde zogen in gebührendem Abstand die Notbremse, trollten sich und taten so, als ob nichts gewesen wäre. Einige andere aber ließen sich davon nicht beeindrucken oder glaubten es nicht und rasten in unvermindertem Tempo auf meinen Kater zu, bis sie für ihn in Reichweite waren – und bekamen von ihm fürchterlich eine gewischt. Wer jemals die ausgefahrenen Krallen einer Katze auf seiner Haut gespürt hat, kann sich deren Wirkung in der weichen Hundeschnauze vorstellen. Solche Hunde, und seien sie noch so groß, ziehen gedemütigt winselnd von dannen.
Einmal, ein einziges Mal, hatte ich bisher indirekt beobachten können, dass die Strategie, dem Gegner furchtlos drohend ins Gesicht zu blicken, offenbar nicht funktionierte. Ich weiß nicht, warum. Ich war nicht im Park, habe den Hund nicht gesehen, sondern saß im Garten und sah, wie unser Kater panisch über den Zaun sprang, durch den Garten raste, über den Fischteich zu springen versuchte und ins Wasser platschte.
Das hat mich nicht nur amüsiert, sondern auch beruhigt, denn ich dachte immer: Mut ist für solche Fälle von der Natur aus guten Gründen nicht vorgesehen. Realistisch betrachtet hatte mein Kater gegen einen großen Hund keine Chance. Irgendwann wäre eine