»Iss deine Austern auf, sonst gibt’s keinen Kaviar!« – Es ist ein weiter Weg, bis man diesen Satz zu seinem Kind sagen kann. Aber ein Weg, der sich lohnt. Na gut, um ehrlich zu sein: Wanda mag gar keine Austern. Sie sind ihr zu salzig, selbst wenn man das Meerwasser vorher aus der Schale gießt. Dafür mag sie alle anderen Muscheln. Und frischen Oktopus. Sie saugt sogar den Shrimps die Köpfe aus, nachdem sie sie selbst zerlegt hat. Das mache nicht einmal ich.
Zugegeben, es ist vielleicht nicht jedermanns Sache, exotische Tiere zu essen. Von daher werden auch nicht alle Eltern anstreben, diese Vorliebe in ihren Kindern zu wecken. Ich persönlich bin froh, dass ich mit Wanda ins französische Restaurant gehen kann. Es erfüllt mich mit heimlichem Stolz, wenn Kellner und Gäste staunen, was mein Kind alles isst. Das mag damit zusammenhängen, dass ich von allem fasziniert bin, was mit der Gastronomie zu tun hat. Natürlich möchte ich das an mein Kind weitergeben. Aber von vorn.
Kinder haben Grundbedürfnisse. Genauso wie Menschen. Sie wollen essen und trinken und schlafen und kommunizieren. Wie sie diese Dinge tun, hängt in erster Linie davon ab, was sie von ihren Eltern gelernt haben. Ein Kind, das partout nichts essen will außer Pommes, das abends nicht ins Bett geht und nachts fünfzehn Mal im Zimmer der Eltern steht, kann man zwar trotzdem lieb haben. Aber noch schöner ist es, wenn man nicht dauernd mit anstrengenden Sonderwünschen beschäftigt ist.
So gut wie alles an meinem … na ja, wollen wir es mal augenzwinkernd »Erziehungsstil« nennen, beruht auf Bequemlichkeit. Ich will, dass mein Kind glücklich ist. Ich will aber auch, dass ich glücklich bin. Was ich nicht wäre, wenn sich von früh bis spät alles um das Kind drehen würde. Gut, in den ersten zwei Jahren braucht es die volle Zuwendung. Aber auch diese Aufgabe dürfen Eltern untereinander aufteilen, um sich Freiräume zu schaffen. Außerdem kann man bereits in dieser Zeit die Grundsteine dafür legen, dass man später zusammen mit dem Kind chillen kann, statt sich gegenseitig auf den Zünder zu gehen.
Welche Beikost kann man zum Stillen geben? Ab wann sollte das Kind im eigenen Bett schlafen? Wie kriegt man es dazu, am Abend endlich Ruhe zu geben? Wie redet man mit dem Kind, wenn es sich ausschließlich für Bagger interessiert oder in die berüchtigte Warum-Phase kommt? Sind Kinderwagen so schlimm, wie alle behaupten? Wie schon im Vorwort erwähnt: Auf all diese Fragen habe ich keine pädagogisch wertvollen Antworten. Ich kann nur erzählen, wie Nora und ich es gemacht haben. Trotzdem finde ich, wirkt das hier langsam ziemlich professionell. Vielleicht wird es doch ein Ratgeber.
BRING MIR ZWEI VON JEDER TIERART
Ich musste eine ganze Weile überlegen, wie das mit dem Essen und Wanda am Anfang war. Es scheint wirklich was dran zu sein an dem Mythos, dass sich die Stilldemenz auf den Vater übertragen kann. Vom ersten Halbjahr Elternschaft weiß ich echt nicht mehr viel. Und glaube, dass diese Gedächtnislücke ausnahmsweise mal nicht von den üblichen Drogenexzessen kommt.
Nora hat Wanda gestillt, so viel steht fest. Irgendwann, ich schätze so nach dem vierten oder fünften Monat, fing sie nebenbei an Milch abzupumpen, die wir dann eingefroren haben. Auf die Art konnte auch ich Wanda füttern, wenn Nora mal einen freien Abend brauchte. Sie hat dann außerdem bald einen Minijob angenommen und jeden Samstag Obst und Gemüse auf einem Wochenmarkt verkauft, damit ihr die Decke nicht auf den Kopf fiel. Ich erzähle das nur, um den roten Faden weiterzuspinnen, dass wir neben Wandas Bedürfnissen auch immer auf unsere eigenen gehört haben.
Jedenfalls war es