: Katja Maybach
: Schicksalskinder Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426462652
: Die Chronik der Familie Laverne
: 1
: CHF 13.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Begleiten Sie die Familie Laverne durch die schicksalhaften Jahre ab 1945: Der historische Roman »Schicksalskinder« ist der 3. Teil der großen Familiensaga »Die Chronik der Familie Laverne« um einen eleganten Kurort an der französischen Grenze. Bad Lichtenberg im Mai 1945. Für Luise Laverne ist jeder Tag ein Tanz auf dem Drahtseil: Unter ihrer Leitung hat das mondäne Kurhotel der Familie zu altem Glanz zurückgefunden, nun geht die Polit-Prominenz der NSDAP im »Deutscher Kaiser« ein und aus - während Luise in einem Zimmer ohne Nummer den jüdischen Architekten Simon Roth versteckt, ihre große Liebe. Luises Schwester Victoria fiebert derweil der Premiere in ihrem Showtheater entgegen und übersieht dabei, dass ihre 14-jährige Tochter Natalja sich mit einem Jungen trifft. Und Felix Laverne wartet nach seiner Flucht aus Ostpreußen halb verrückt vor Sorge auf Nachricht von seiner Frau, die ihm mit den beiden Söhnen erst einige Zeit später folgen wollte. Doch noch ist der Krieg nicht vorüber, und eines Nachts heulen schließlich auch in Bad Lichtenberg die Sirenen ... Katja Maybach erzählt im 3. und abschließenden Teil ihres historischen Familienromans vom Ende des 2. Weltkriegs, einer dramatischen Flucht aus Ostpreußen und von einem Familiengeheimnis in Paris - und sie lässt die Kinder der Familie Laverne in eine optimistische Zukunft blicken. Die ergreifende Familiengeschichte »Die Chronik der Familie Laverne« ist in folgender Reihenfolge erschienen: - Schicksalszeit (1914-1920) - Schicksalsstunden (1930-1936) - Schicksalskinder (1945-1948)

Katja Maybach war bereits als Kind eine echte 'Suchtleserin', was beinahe automatisch zum eigenen Schreiben führte. Schon mit zwölf Jahren schrieb sie ihren ersten Roman und einige Kurzgeschichten. Doch sie hatte immer schon eine zweite Leidenschaft: die Mode. Und so gewann sie mit fünfzehn Jahren den Designerpreis einer großen deutschen Frauenzeitschrift für den Entwurf eines Abendkleides. Mit siebzehn ging sie nach Paris und wurde zuerst Model in einem Couture Haus, später eine erfolgreiche Designerin. Nach einer schweren Krankheit begann sie, Romane zu schreiben. Bereits ihr Debüt 'Eine Nacht im November' war ein großer Erfolg und wurde in Frankreich ein Bestseller. Heute lebt die Autorin in München, sie hat zwei erwachsene Kinder.

Zwei


Victoria

Victoria saß im abgedunkelten Zuschauerraum ihresTheater im Palmengarten und beobachtete das Probetraining neuer Tänzerinnen auf der Bühne. Sie trugen schwarze Übungstrikots und bemühten sich, auf die Musik von Jacques Offenbach Temperament und Freude beim Tanzen zu versprühen. Auch der Korrepetitor am Klavier tat sein Bestes.

»Wir machen eine Pause«, rief Victoria hoch, lehnte sich zurück und legte die Beine auf die Rückseite des Vordersitzes. »So wird das nichts. Alles wirkt lahm, wenn die Leute an Silvester zu uns kommen, wollen sie ein paar Stunden mitgerissen, unterhalten werden, den Krieg vergessen.« Die Choreografin Berthe kam die paar Stufen von der Bühne herunter, umlief den kleinen Orchestergraben und setzte sich neben Victoria.

»Du erwartest zu viel, Victoria. Wir wissen nicht, was morgen ist. Wie soll man da groß Pläne machen? Seit die Wehrmacht in Stalingrad kapituliert hat und in Ostpreußen der Einmarsch der Roten Armee begonnen hat, wie soll man da bei den täglichen Horrormeldungen noch Freude versprühen können.«

»Das ist unser Beruf, auch Berufung, vergiss das nicht. Wir haben die Aufgabe, Menschen zu unterhalten, sie für ein paar Stunden glücklich zu machen.«

»Jaja, Victoria, ich weiß.« Berthe versuchte, locker zu klingen. »Aber keine Vorstellung ist mehr ausverkauft, Zuschauer aus Baden-Baden und den umliegenden Orten bleiben weg.«

»Das ist verständlich«, sagte Victoria. »Wer will schon im Zug sitzen, der aus der Luft bombardiert wird, oder auf der Autobahn durch einen Tiefflieger erschossen werden.«

»Jaja, und für die Tänzer und Schauspieler ist es wenig motivierend, vor fast leerem Haus zu tanzen oder zu spielen.«

»Da darf man nicht eitel oder empfindlich reagieren, Berthe. Letztendlich haben sie oben hier im Haus eine Wohnung, ein gutes Gehalt, und sollte es zu Luftangriffen kommen, ist der Keller unter dem Orchestergraben bombensicher. Sie sind hier also wesentlich geschützter als in Berlin oder München.«

»Toi, toi, toi.« Berthe klopfte auf die Rücklehne eines Stuhls. »Bis jetzt zumindest. Was noch kommt, wissen wir nicht. Aber du hast recht, wir müssen unser Bestes geben, auch wenn wir nur für drei Zuschauer tanzen.«

»Ja, Berthe. Außerdem ist die Silvestervorstellung ausverkauft, die Karten gehen alle an Gäste desDeutschen Kaisers. Das Hotel ist übrigens ausgebucht, wie offenbar auch die anderen Hotels und Pensionen. Ihr werdet alles geben, euch selbst übertreffen, verstanden?«, rief Victoria hoch zu den Tänzern, die frierend auf der Bühne einen Kreis gebildet hatten.

Sie sahen sich an, nickten stumm zu Victoria hinunter.

»Jetzt geht hoch, für heute ist Schluss.« Damit entließ Victoria ihre Gruppe. »Wärmt euch auf, morgen geht es dann weiter.«

Victoria wühlte in ihrer Tasche und zog eine Zigarette heraus. Die Zigaretten, die man auf Lebensmittelkarten bekam, waren sehr knapp bemessen, und diese hier war bereits die letzte. Sie machte einen tiefen Zug, lehnte sich zurück und nahm die Füße vom Vordersitz. Sie sah zu, wie die Tänzer erschöpft von der Bühne schlichen, da sie heute kein Lob von der Chefin bekommen hatten. »Es wird schon werden, wir haben es immer geschafft«, rief Victoria ihnen noch nach. »War ich zu hart zu ihnen?«, wandte sie sich an Berthe.

»Nein, nein«, widersprach die Choreografin schnell, »du machst das schon ganz richtig, Zuckerbrot und Peitsche.«

Victoria überhörte die Ironie in Berthes Stimme. Auch sie war müde, und letztendlich war es ihre Tanztruppe, ihr Theater, das sie hier im Kurort vor sieben Jahren gegründet und den Erfolg hart erarbeitet hatte. Vor acht Jahren war sie aus Berlin gekommen, weil niemand mehr Victoria Laverne als Kostümbildnerin engagiert hatte. Sie sei »weg vom Fenster«, wie ein Agent ihr kühl erklärt hatte. Keiner hatte geglaubt, dass sie, die »Ausgebrannte, die Erfolglose« ein Theater aufbauen und führen könnte.

Aber sie hatte es geschafft, sie hatte an ihren Erfolg geglaubt, hier in Bad Lichtenberg ein kleines Showtheater eröffnen zu können. Und ihre zähe Arbeit, ihr Wille und das Verzichten auf jegliches Privatleben hatten es ermöglicht. Das Provinztheater war schnell bekannt geworden, zu jeder neuen Aufführung kamen Kritiker aus den Großstädten und hatten dieses kleine Theater hochgelobt, es sei einSchmuckstück der Provinz. Doch ein Kritiker hatte geschrieben, es sei ein Theater für die Reichen und Schönen, die in Bad Lichtenberg in einem der besten Luxushotels Europas wohnten, vor einer Vorstellung Champagner schlür