: Hans Fallada
: Wolf unter Wölfen, 2. Teil Illustrierte Ausgabe
: epubli
: 9783756541133
: 1
: CHF 5.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 776
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wolf unter Wölfen ist ein Roman von Hans Fallada aus dem Jahre 1937. Die Geschichte spielt im Inflationsjahr 1923. Rittmeister von Prackwitz weiß nicht, woher er Arbeiter für die Ernte bekommen und wie er seinem Schwiegervater die Pacht zahlen soll. Frau von Prackwitz liebt weder ihren Mann noch ihren Vater, möchte aber die geordneten Verhältnisse erhalten. Das fünfzehnjährige Töchterchen Violet hat eine heimliche Affäre mit dem Freikorps-Leutnant Fritz, der einen Putsch gegen die Demokratie plant, wird aber von dem zwielichtigen Diener Hubert Räder erpresst. Und Sophie Kowalewski, die Tochter des Leutevogts, verhilft ihrem im Zuchthaus sitzenden Verlobten zur Flucht. Je mehr die Verhältnisse auf Neulohe aus den Fugen geraten, desto mehr findet Wolfgang Pagel zu seinem eigenen inneren Gleichgewicht zurück, zumal er erfährt, dass Petra in Berlin eine sichere Arbeit gefunden hat und von ihm schwanger ist. Als in Neulohe schließlich trotz seiner Bemühungen wirklich alles auseinanderfällt und es zur familiären Katastrophe kommt, kehrt er nach Berlin zurück, söhnt sich mit Petra und seiner Mutter aus und beginnt ein Studium. Wolf unter Wölfen ist damit auch ein politisches Werk, das, ohne zu moralisieren oder den Zeigefinger zu erheben, die Lage der damaligen Zeit in einer realistischen Form nachzeichnet. Dennoch bleiben Güte und die Menschlichkeit nicht auf der Strecke, sondern erweisen sich immer wieder und nehmen auch in der Liebesgeschichte von Wolfgang Pagel und Petra Ledig mit zuweilen romantischen Szenen großen Platz ein.

Hans Fallada, eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen wurde am 21. Juli 1893 in Greifswald geboren und starb am 5. Februar 1947 in Berlin. Er war ein deutscher Schriftsteller. Bereits mit dem ersten, 1920 veröffentlichten Roman Der junge Goedeschal verwendete Rudolf Ditzen das Pseudonym Hans Fallada. Es entstand in Anlehnung an zwei Märchen der Brüder Grimm. Der Vorname bezieht sich auf den Protagonisten von Hans im Glück und der Nachname auf das sprechende Pferd Falada aus Die Gänsemagd: Der abgeschlagene Kopf des Pferdes verkündet so lange die Wahrheit, bis die betrogene Prinzessin zu ihrem Recht kommt.

Zweiter Teil. Das Land in Brand


Zehntes Kapitel. Friede der Felder


1

Es war nicht mehr dasselbe Büro!

Es waren noch die gleichen Regale aus häßlichem gelbgrauem Kiefernholz, es war noch derselbe, ehemals schwarze Schreibtisch mit dem grünen, tintenfleckigen Filz, es stand da noch immer der viel zu große Geldschrank mit den gelbgewordenen Goldarabesken – aber nein, es war nicht mehr dasselbe Büro!

Die Fensterscheiben blitzten; saubere, helle Vorhänge waren aufgesteckt; den Möbeln hatte Öl einen sanften Glanz gegeben; der abgetretene splittrige Fußboden war abgehobelt, gewachst und gebohnert worden, und über den Geldschrank war der Gutsstellmacher mit seinem Farbentopf geraten: silbergrau schimmerte sein Stahlpanzer, dunkelgrau waren seine Verzierungen geworden – nein, es war nicht mehr dasselbe Büro –!

Einmal hatte sich der Rittmeister von Prackwitz Gedanken darüber gemacht, ob er denn seinen Freund, den Oberleutnant von Studmann, auf solch ein verliedertes Gutsbüro hinter Lohnlisten und Kornabrechnungen würde setzen können. Hierüber hätte sich der Rittmeister keine Gedanken zu machen brauchen: auf ein liederliches Büro setzte sich Herr von Studmann nicht, Liederlichkeit trieb er aus, sanft, doch gnadenlos!

An einem Tag unter diesen ersten Tagen hatte Studmann einen Schlüssel vom Büro holen müssen – Frau Hartig aber stand auf einer Fensterbank und putzte die Scheiben.

Herr von Studmann blieb stehen und sah diese an. Sie machen hier sauber? fragte er sanft.

Darauf können Sie sich verlassen! sagte die Hartig kriegerisch, denn einmal täuschte sie die Sanftheit dieses Herrn, zum andern war sie böse auf ihn, weil der kleine Meier fort war. Hatte sie sich auch feierlich aller Rechte auf den ehemaligen Feldinspektor von Neulohe begeben; daß er nun fort war, verzieh sie dem Herrn dort nicht – mochte er auch wirklich sein, was die Leute erzählten, nämlich ein Detektiv!

Der vermeintliche Detektiv antwortete erst einmal gar nichts, sondern roch unbegreiflich in das Wasser, mit dem sie die Scheiben wusch. Dann nahm er das Fensterleder in die Hand, was freilich kein Leder war, sondern ein bloßer Lappen, denn das gute Fensterleder rückte die Armgard von der Villa nicht für das schlechte Büro heraus. Nun bewegte er den geputzten Fensterflügel im Sonnenschein hin und her – die Hartig flog am ganzen Leibe vor Grimm über solch einen Spion, der jetzt sogar ihrer Arbeit nachschnüffelte!

Herr von Studmann war mit seiner Prüfung fertig, er hob den Blick zu der Frau, er schien gar nicht zu sehen, daß sie zornig war. Er fragte: Sie heißen –?

Ich bin die Kutscherfrau, rief die Hartig zornig und putzte an ihrer Scheibe, daß sie knackte.

Also die Kutscherfrau, sagte Studmann friedfertig. Und wie heißt der Kutscher –?

Nun sagte die Hartig sehr aufgeregt sehr rasch vieles hintereinander, unter anderem, daß sie ihre Arbeit verstehe, daß keiner aus Berlin zu kommen brauche, um ihr Arbeiten zu ›lernen‹, daß sie vier Jahre im ›Schloß‹ gearbeitet habe, bei der ›alten Gnädigen‹, ehe sie den Hartig geheiratet habe, und daß die ›alte Gnädige‹ immer mit ihr zufrieden gewesen sei, und der mache es doch wirklich keine recht ...

Also Frau Hartig heißen Sie, sagte Herr von Studmann geduldig, denn er war ja lange genug im Hotelbetrieb tätig gewesen. Hören Sie, Frau Hartig, dies Fensterputzen hat keinen Zweck. Man putzt keine Fenster bei Sonnenschein – sehen Sie, die Scheiben sind ja ganz streifig ...

Er bewegte den Fensterflügel hin und her, aber Frau Hartig sah gar nicht hin. Das ekelte sie, sie wußte auch so, daß die Fenster streifig waren, bisher war allen ihre Arbeit gut genug gewesen, und das sagte sie ihm auch!

Ungerührt antwortete Studmann: Und in das Spülwasser nimmt man besser einen Schuß Spiritus, das macht die Scheiben hell. Aber auch dann nützt all Ihre Arbeit nichts, wenn Sie kein ordentliches Fensterleder haben, sehen Sie, dies Tuch fusselt ja, lauter Fusseln kleben an den Scheiben!

Zuerst war die Hartig sprachlos vor Entrüstung gewesen, dann aber fragte sie Herrn von Studmann recht höhnisch, wo sie wohl Spiritus hernehmen solle, heh? Sie könne keinen durch die Rippen schwitzen, und das Fensterleder gebe ihr die Armgard nicht heraus ...

Sie werden Spiritus bekommen und auch ein Fensterleder, sagte Studmann. Und solange man kein Leder hat, nimmt man eine alte Zeit