1. KAPITEL
Wann immer das trabende Pferd schnaubte oder wieherte, seufzten die sechs Fahrgäste in der offenen Kutsche selig auf.
Ganz hinten, in der letzten Sitzreihe, zog Alyssa Chambers sich die Decke etwas höher und umklammerte mit beiden Händen ihren Becher Glühwein. Aus den Lautsprechern in den Seitenwänden der Kutsche erklang leise Bing Crosbys „Winter Wonderland“, und die neblige Abendluft schimmerte in allen Farben durch die bunten Lichterketten.
Es war die perfekte Dezemberstimmung.
Die Kutsche bewegte sich langsam die Straße entlang. Alyssa und den anderen Fahrgästen bot sich der idyllische Anblick der weihnachtlich geschmückten Häuser in Dallas’ wohlhabendem Stadtviertel Highland Park.
„Oh, Mann.“ Claire Daniels seufzte. „Ist das nicht ein wunderbar romantischer Abend?“
Alyssa, die neben ihr saß, drehte sich fragend zu ihr. „Wie bitte? Wir haben beide kein Date! Schon vergessen?“
Sie sah zu den beiden Sitzreihen vor ihnen. Vier Personen je Sitzreihe, jeweils zwei Pärchen, eng umschlungen unter Decken gekuschelt. Von den bunten Lichtern und der Musik bekamen diese Menschen nichts mit, sie hatten nur Augen füreinander.
Alyssa schluckte vor Neid. Sie wurde sie sich der Tatsache nur allzu bewusst, dass sie hier mit ihrer besten Freundin saß statt mit einem festen Partner. „Versuchst du’s neuerdings mit positivem Denken, Claire? Klappt das bei dir?“ Trotz der Atmosphäre rings umher empfand sie nichts von der weihnachtlichen Stimmung.
„Nein, es funktioniert nicht“, gab Claire zu. Ein paar Monate zuvor hatte ihr Freund Joe sich von ihr getrennt, und ihr Stolz war durch den Verlust immer noch verletzt.
Missmutig lehnte Alyssa sich in ihrem Sitz zurück und schmiedete Rachepläne gegen denjenigen, der einst entschieden hatte, dass Weihnachtsaktivitäten nur etwas für Pärchen waren.
Auf jeder Party wurde zu dieser Jahreszeit erwartet, dass man mit Partner erschien. Im Theater gab es Pärchen-Tickets für Show und Dinner, und selbst für die Kutschfahrten durchs weihnachtlich beleuchtete Highland Park wurden die Tickets nur im Zweierpack verkauft, so als sei man als Single ein Niemand.
Kein Wunder, dass zu dieser Jahreszeit die Selbstmordrate anstieg, oder?
Die Trennung von Bob im Sommer war besonders unschön gewesen, weil sie ursprünglich einfach nur gute Freunde gewesen waren. Irgendwann hatten sie abends ein richtiges Date gehabt, und bevor Alyssa sich versah, waren sie miteinander im Bett gelandet und hatten auf einmal einer Zukunft mit Ehe, Kindern und Hund entgegengesehen.
Zuerst war ihr alles perfekt vorgekommen, doch dann hatte sie sich an immer neuen Kleinigkeiten gestört, und es hatte nicht lange gedauert, bis weder Alyssa noch Bob hätten sagen können, wieso sie einmal so gut befreundet gewesen waren.
Sie hatten einfach nicht zusammengepasst.
Weil sie sich nicht nur vom Liebhaber, sondern gleich auch vom Freund getrennt hatte, war Alyssa dieser Schlussstrich sehr schwer gefallen. Und seitdem hatte sie kein Date mehr gehabt.
„Nimm doch Chris mit, wenn du das nächste Mal auf eine Party gehst“, schlug Claire vor.
Alyssa nickte. Sie würde denselben Fehler kein zweites Mal begehen. Chris, ihr Nachbar, war zwar ausgesprochen sexy. A