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Becca
Ich bin eine absolute Frühaufsteherin. Schon als Kind war ich vor der Sonne wach. Vielleicht ist das verrückt, aber der Morgen ist meine Lieblingstageszeit. Vermutlich, weil ich diese Stunden mit meinem Großvater verbringen kann.
Als ich sechs Jahre alt war, starben meine Eltern bei einem Autounfall. Sie waren auf dem Heimweg von Texas, wo sie eine vernachlässigte Stute abgeholt hatten, um sie zu uns auf die Ranch zu bringen. Mom hatte eine große Leidenschaft für Pferde, und die meisten auf der Connelly Ranch waren gerettete Tiere.
Ein entgegenkommender Laster, dessen Fahrer wohl eingeschlafen war, krachte frontal in den Transporter meiner Eltern. Sie waren sofort tot. Ich werde nie die Nacht vergessen, in der der Sheriff zu uns nach Hause kam, um uns die Nachricht zu überbringen. Ich blieb immer bei meinen Großeltern, wenn Mom und Dad unterwegs waren.
Meine Mutter war ein Einzelkind, genau wie ich. Mit achtzehn lernte sie meinen Vater kennen, der zwei Jahre älter war und auf der Connelly Ranch anheuerte. Dad stammte aus Louisiana und hatte ein Jahr zuvor seine Mutter verloren. Er erzählte immer, dass er ein Herumtreiber ohne wirkliches Ziel war, bis zu dem Tag, an dem er auf der Ranch auftauchte und nach Arbeit fragte. In dem Moment, in dem er meine Mutter erblickte, hatte er sein Zuhause gefunden. Ich wurde nie müde, diese Geschichte zu hören.
Nach dem Tod meiner Eltern lebte ich bei meinen Großeltern. Grandma konnte den Verlust nie verwinden. Aber mein Großvater blieb stark und hielt unsere Familie zusammen. Vor ein paar Jahren verstarb auch meine Grandma, sodass nur noch mein Großvater und ich von unserer Familie übrig sind.
Seit den Fünfzigerjahren gehört die Connelly Ranch meiner Familie, nachdem meine Großeltern aus Boston hierhergezogen waren. Grandpa ist das Kind irischer Einwanderer, die in Boston recht erfolgreich einige Geschäfte betrieben haben. Er jedoch träumte von einem Leben abseits der Großstadt und kaufte ein Stück Land in der Nähe einer Kleinstadt mitten in Tennessee. Im Jahre 1957 gründete erConnelly Ranch& Inn. Das kleine Unternehmen florierte und meine Familie hatte über mehrere Jahrzehnte ein gutes Leben.
Jetzt ist es ein täglicher Kampf, zumindest so viel zu erwirtschaften, um die Ranch zu behalten. Seit meine Großmutter gestorben und mein Großvater älter geworden ist, liegt ein großer Teil der Verantwortung für die Leitung der Ranch und der Frühstückspension auf meinen Schultern.
Vor zwei Jahren waren unsere Zimmer das ganze Jahr über ausgebucht. Jetzt sind wir froh, wenn wenigstens die Hälfte besetzt sind, um Geld zu erwirtschaften, das wir für die dringend benötigten Reparaturen des in die Jahre gekommenen Gebäudes benötigen. Es braucht zumindest ein neues Dach und neue Sanitäranlagen. Oft genug beschweren sich die Gäste über das zu kalte Wasser, das aus den maroden Leitungen manchmal nur tröpfelt.
Als meine Großmutter an Krebs erkrankte, musste mein Großvater wegen der Arztrechnungen einen Kredit aufnehmen. Jetzt sind wir so hoch verschuldet, dass wir uns das wenige Personal, das wir noch haben, kaum leisten können. Vor sechs Monaten musste ich den Koch und unsere Haushälterin entlassen. Unsere übrigen beiden Angestellten, Steve und David, arbeiten seit über zwanzig Jahren für meinen Großvater auf der Ranch. Sie sind gerne bei uns und ausgesprochen nachsichtig, wenn ich sie nicht pünktlich bezahlen kann, was so gut wie immer der Fall ist. Deshalb arbeite ich noch nebenbei in dem einzigen Friseursalon der Stadt, um das Geld für die Kreditraten und die Gehälter aufzubringen.
Ich schüttle meine trüben Gedanken a