: Sophie Oliver
: Das Haus am Walchensee Neuanfang in Traumlage
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104916422
: Walchensee
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Seen-Sucht: ein idyllisches Fleckchen am Wasser und das Glück der Familie  Es ist viele Jahre her, seitdem Freya Siebert zuletzt am Walchensee war. Es überrascht sie, wie der Anblick des türkisfarbenen Gewässers und der Berge ihr Herz freudig höherschlagen lässt. Denn die Erinnerung an das malerische Voralpenland in Oberbayern ist auch schmerzlich. Das alte Gasthaus der Familie mit eigener Fischerei war der ganze Stolz ihres Vaters. Jetzt steht sie gemeinsam mit ihrem Bruder Niklas an seinem Grab. Wenn ihr Traditionshaus am See eine Zukunft haben soll, müssen sie die Vergangenheit loslassen.  Wird Freya hier wirklich wieder eine Heimat finden? Glitzernde Wellen und die Sehnsucht nach Glück: der erste Band der Walchensee-Reihe von Sophie Oliver

Geboren und aufgewachsen in Bayern, verließ Sophie Oliver nach dem Abitur ihre Heimat, um zu studieren und die Welt zu erkunden. Mittlerweile ist sie zu ihren Wurzeln zurückgekehrt und lebt mit Familie und Hund auf dem Land. Ihre Neugierde auf das Leben drückt sie in ihren Romanen aus.  Die Autorin ist auf Facebook und Instagram aktiv.

Kapitel 1


Freya

»Wieso will er alles der Kirche hinterlassen? Die hat ihn doch überhaupt nicht interessiert! Und den Pfarrer konnte er nicht mal leiden.«

Die aufgebrachte Stimme ihres Bruders drang laut an Freya Sieberts Ohr. Niklas saß neben ihr an einem Besprechungstisch im Büro des Anwalts, der das Testament ihres Vaters verlas. Zuvor hatte eine Sekretärin Kaffee gebracht und die Tassen mit einem derart lauten Klirren auf der gläsernen Tischplatte abgestellt, dass es sich anfühlte, als würden Freya Dolche ins Hirn gestoßen. Ihre Kopfschmerzen waren unerträglich. Erst am Vortag war sie aus Stockholm angereist und hatte eine schlaflose Nacht in einem Elternhaus verbracht, das ihr völlig fremd geworden war.

»Du verstehst das falsch, Niklas«, erklärte Dr. Hubert Schneider, Rechtsanwalt und Freund der Familie Siebert, in geduldigem Tonfall. »Schau, euer Vater hat lediglich verfügt, dass sein Erbe dann an die Kirche fällt, wenn du und deine Schwester das Geschäft nicht gemeinsam weiterführt und es innerhalb der nächsten zwei Jahre verkauft. Er möchte also, dass alles in der Familie bleibt. Somit gehört es selbstverständlich euch beiden – vorausgesetzt, ihr betreibt es in seinem Sinne.«

»Das ist unmöglich«, protestierte Niklas. »Freya ist vor fast zwanzig Jahren weggezogen, sie hat keine Ahnung, was es heißt, einen Gasthof zu leiten. Von der Fischerei auf dem Walchensee fange ich gar nicht erst an.«

»Können Sie mir die Bedingungen bitte noch einmal im Detail erklären, Herr Doktor Schneider?«, bat Freya ruhig. Im Gegensatz zu ihrem Bruder war sie mit dem Anwalt nicht per Du. Sie konnte sich auch nicht daran erinnern, dass er ein Freund ihres Vaters gewesen war. Allerdings hatte sie Walchensee bereits als Neunjährige verlassen und so war es ihr kaum möglich, Gesichter von damals wiederzuerkennen.

Im Ort am Ufer des gleichnamigen Sees kannte jeder jeden und bei ihrer Ankunft tags zuvor – über die offenbar alle Bescheid wussten –, hatten sie zahlreiche Leute begrüßt, an die sie keinerlei Erinnerung besaß. Sogar der eigene Bruder erschien ihr fremd. Überhaupt kam sie sich in der Kulisse der überwältigend malerischen Bergwelt vor wie eine Statistin in einem kitschigen Heimatfilm. Der Kontrast zum gewohnten schwedischen Minimalismus konnte nicht größer sein. Alles am und in Walchensee war üppig. Das türkise Wasser des Sees, die blühenden Wiesen, das satte Grün der Bäume, die prächtigen Berge, die Lüftlmalereien an den Häusern samt ihren überquellenden Blumenkästen. Freya fühlte sich überfordert. Vielleicht lag es auch an den Kopfschmerzen, dass die bunte Pracht sie derart mitnahm. Oder an der Testamentseröffnung.

Doktor Schneider kam Freyas Bitte um Erklärung nach, und als sie sich nun mit aller Anstrengung auf seine Worte konzentrierte, begriff sie, weshalb Niklas sich aufregte. Über seinen Tod hinaus verlangte der Vater Unmögliches von ihnen. Nicht alles, was zerbrochen war, ließ sich wieder kitten. Wollte der verstorbene Johannes Siebert seine Kinder tatsächlich mit aller Macht jetzt wieder zusammenführen? Weshalb hatte er sich zu Lebzeiten nicht darum bemüht? Freya straffte die Schultern, das mussten sie nicht vor dem Anwalt diskutieren.

Als er mit seinen Ausführungen fertig war, stand Freya auf. »Danke, wir werden alles besprechen und geben Ihnen dann Bescheid. Wir brauchen ein wenig Zeit.«

»Natürlich, das verstehe ich. Überlegt es euch in Ruhe.«

»D