Elke drückte die knarzende Holztür zum Garten auf und stapfte in ihren ausgelatschten Chucks durch den Kies. Der Eimer mit den Weizenkörnern und den darunter gemischten Küchenabfällen war verflixt schwer und zog sie zur Seite, das war kein Spaß für ihre kaputte Hüfte.
Gleich hinter dem Haus, an dessen efeuberankten Mauern der Putz abplatzte, war bereits mächtig Leben in der Bude. Jagger hatte sie vor einer guten Stunde viel zu früh geweckt, doch sie nahm es ihm nicht übel, das war nun mal sein Job, eigens dafür hatte sie ihn sich zugelegt. Elke öffnete das Gatter, dessen Drahtgeflecht sie bei Gelegenheit ausbessern musste und schippte zwei, drei Kellen des Futters auf den Boden. Die Hühner hatten sie bereits erwartet und staksten kopfnickend auf sie zu.
Während sich die Damen gierig über das Frühstück her machten, steckte Elke den Kopf ins Hühnerhaus und entdeckte im Stroh zwei braungesprenkelte Eier, die ihr, die Vermutung lag nahe, Madonna und Cher zum Dank für ein sorgenfreies Leben hinterlassen hatten. Tina und Janis, die alten Hennen, die sie noch von ihrem Vorgänger übernommen hatte, legten hingegen nur noch selten, aber Elke focht das nicht an. Es ging ihr nicht um die Eier, sie hatte Freude an den Viechern, daher durften sie bis ans Ende ihrer hoffentlich noch langen Tage im Stall nach Körnern und Gemüseresten picken. Eines Morgens würde Elke sie im Sand liegend vorfinden, genau wie Joni, die im August vergangenen Jahres an Altersschwäche gestorben war. Sie hoffte nur, dass ihren Hühnern ein Ende wie das von Cocker erspart blieb, diesem Prachtkerl von einem Hahn, der plattgedrückt auf dem Kühlergrill eines Sattelschleppers das Zeitliche gesegnet hatte, oben an der Hauptstraße, auf der es mehr Verkehr gab als es einem flugunfähigen Federvieh guttat. Eitel und launisch wie sein Vorgänger, war Jagger ihm ein würdiger Nachfolger geworden. Elke hatte ihn gleich am Wochenende nach Cockers tragischem Unfall von einem Bauern in der Wetterau gekauft, denn einen Hahn im Korb brauchte ein Hof nun mal, davon war Elke überzeugt, und war dieser auch noch so klein wie der ihrige.
In der Werkstatt schräg gegenüber, dessen mürrisch wirkender Besitzer vor ein paar Monaten zwei verfallene Stallungen des alten Bauernhofs angemietet hatte und dort an sechs Tagen in der Woche alte Kisten wieder flottmachte, war um diese Uhrzeit noch nichts los. Kowaljow kam pünktlich um acht Uhr dreißig und schraubte in der Regel bis in den späten Abend hinein in den Eingeweiden der maroden Kundenfahrzeuge herum.
Elke streckte sich, gähnte mit weit aufgerissenem Mund und ließ sich die aufgehende Oktobersonne ins Gesicht scheinen. Sie genoss die wärmenden Sonnenstrahlen, die letzten Grüße des sich verabschiedenden Sommers, danach würde es wieder für lange Zeit kalt, nass und dunkel werden und, wie jeden Herbst, begännen mit zunehmender Feuchtigkeit ihre Gelenke zu schmerzen. Altweibersommer wurden Tage wie diese genannt. Nun, sie war ein altes Weib, daran gab es keinen Zweifel, demnach war es ihr Sommer, damit konnte sie gut leben, sehr gut sogar.
Als sie im Begriff war, ins Haus zurückzukehren, kam ein Wagen langsam und vorsichtig den kleinen Weg von der Hauptstraße hinuntergefahren, gerade so, als suchte er etwas oder wäre sich nicht sicher, richtig abgebogen zu sein. Ein Saab mit matt verwitterter weinroter Lackierung. Einer von Kowaljows Problemfällen, vermutete Elke und öffnete die Haustür, als der Fahrer zu hupen begann. Sie wandte sich um, hielt die Hand schützend vor die Augen und versuchte, gegen das blendende Sonnenlicht das Gesicht des Fahrers zu erkennen. Ein Mann, graue Haare, Sonnenbrille, der nun anhielt, den Motor abstellte und ausstieg. Wie es aussah, wollte der Ty