: Andreas Heinzel
: Das kleine Frankfurter Weihnachtsbuch
: mainbook Verlag
: 9783948987541
: 1
: CHF 7.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 205
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Weihnachtszeit lässt niemanden kalt. Und da jeder die Festtage auf andere Weise erlebt, sind die Geschichten des Frankfurter Satirikers Andreas Heinzel diesmal nicht nur lustig oder bissig, sondern auch emotional und nachdenklich. Es geht um gestresste Großstadtmenschen, um gutgemeinte Attenta-te, um einmalige Chancen auf ein Comeback und um alte wie junge Protagonisten, die ihre große Liebe finden oder wiederfinden. Das kleine Frankfurter Weihnachtsbuch zeigt, wie empfänglich die Menschen gerade an Weihnachten für große Gefühle sind. Es wird gelacht, geweint und gestritten. Doch eines haben alle Geschichten gemein-sam: In jeder von ihnen findet sich ein gewisser Zauber, den es so nur in der Adventszeit gibt. Ein Buch, das die Zeit bis Heiligabend verkürzt und unter jeden Christbaum gehört.

Andreas Heinzel wurde 1962 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem 2016 im Mainbook Verlag veröffentlichten Romandebüt 'Die Monarchos' folgte mit der schrägen Provinzposse 'Herr Neumann will auf den Olymp' drei Jahre später sein zweiter satirischer Roman. Zu den Anthologien 'Ein Viertelstündchen Frankfurt' 3 und 4 trug er Kurzgeschichten bei und war 2020 Mitinitiator des literarischen Online-Projekts 'Der Nächste, bitte!', an dem sich 17 bekannte Autorinnen und Autoren beteiligten. Nach dem 2021 erschienenen Band satirischer Short Storys 'Eine Stadt dreht durch' legt er mit 'Das kleine Frankfurter Weihnachtsbuch' seine zweite Sammlung Kurzgeschichten vor. Andreas Heinzel hat zwei Kinder und lebt mit seiner Frau in Frankfurt.

Elke drückte die knarzende Holztür zum Garten auf und stapfte in ihren ausgelatschten Chucks durch den Kies. Der Eimer mit den Weizenkörnern und den darunter gemischten Küchenabfällen war verflixt schwer und zog sie zur Seite, das war kein Spaß für ihre kaputte Hüfte.

Gleich hinter dem Haus, an dessen efeuberankten Mauern der Putz abplatzte, war bereits mächtig Leben in der Bude. Jagger hatte sie vor einer guten Stunde viel zu früh geweckt, doch sie nahm es ihm nicht übel, das war nun mal sein Job, eigens dafür hatte sie ihn sich zugelegt. Elke öffnete das Gatter, dessen Drahtgeflecht sie bei Gelegenheit ausbessern musste und schippte zwei, drei Kellen des Futters auf den Boden. Die Hühner hatten sie bereits erwartet und staksten kopfnickend auf sie zu.

Während sich die Damen gierig über das Frühstück her machten, steckte Elke den Kopf ins Hühnerhaus und entdeckte im Stroh zwei braungesprenkelte Eier, die ihr, die Vermutung lag nahe, Madonna und Cher zum Dank für ein sorgenfreies Leben hinterlassen hatten. Tina und Janis, die alten Hennen, die sie noch von ihrem Vorgänger übernommen hatte, legten hingegen nur noch selten, aber Elke focht das nicht an. Es ging ihr nicht um die Eier, sie hatte Freude an den Viechern, daher durften sie bis ans Ende ihrer hoffentlich noch langen Tage im Stall nach Körnern und Gemüseresten picken. Eines Morgens würde Elke sie im Sand liegend vorfinden, genau wie Joni, die im August vergangenen Jahres an Altersschwäche gestorben war. Sie hoffte nur, dass ihren Hühnern ein Ende wie das von Cocker erspart blieb, diesem Prachtkerl von einem Hahn, der plattgedrückt auf dem Kühlergrill eines Sattelschleppers das Zeitliche gesegnet hatte, oben an der Hauptstraße, auf der es mehr Verkehr gab als es einem flugunfähigen Federvieh guttat. Eitel und launisch wie sein Vorgänger, war Jagger ihm ein würdiger Nachfolger geworden. Elke hatte ihn gleich am Wochenende nach Cockers tragischem Unfall von einem Bauern in der Wetterau gekauft, denn einen Hahn im Korb brauchte ein Hof nun mal, davon war Elke überzeugt, und war dieser auch noch so klein wie der ihrige.

In der Werkstatt schräg gegenüber, dessen mürrisch wirkender Besitzer vor ein paar Monaten zwei verfallene Stallungen des alten Bauernhofs angemietet hatte und dort an sechs Tagen in der Woche alte Kisten wieder flottmachte, war um diese Uhrzeit noch nichts los. Kowaljow kam pünktlich um acht Uhr dreißig und schraubte in der Regel bis in den späten Abend hinein in den Eingeweiden der maroden Kundenfahrzeuge herum.

Elke streckte sich, gähnte mit weit aufgerissenem Mund und ließ sich die aufgehende Oktobersonne ins Gesicht scheinen. Sie genoss die wärmenden Sonnenstrahlen, die letzten Grüße des sich verabschiedenden Sommers, danach würde es wieder für lange Zeit kalt, nass und dunkel werden und, wie jeden Herbst, begännen mit zunehmender Feuchtigkeit ihre Gelenke zu schmerzen. Altweibersommer wurden Tage wie diese genannt. Nun, sie war ein altes Weib, daran gab es keinen Zweifel, demnach war es ihr Sommer, damit konnte sie gut leben, sehr gut sogar.

Als sie im Begriff war, ins Haus zurückzukehren, kam ein Wagen langsam und vorsichtig den kleinen Weg von der Hauptstraße hinuntergefahren, gerade so, als suchte er etwas oder wäre sich nicht sicher, richtig abgebogen zu sein. Ein Saab mit matt verwitterter weinroter Lackierung. Einer von Kowaljows Problemfällen, vermutete Elke und öffnete die Haustür, als der Fahrer zu hupen begann. Sie wandte sich um, hielt die Hand schützend vor die Augen und versuchte, gegen das blendende Sonnenlicht das Gesicht des Fahrers zu erkennen. Ein Mann, graue Haare, Sonnenbrille, der nun anhielt, den Motor abstellte und ausstieg. Wie es aussah, wollte der Ty