Prolog
STELLA
Lärm. Er umgibt mich zu allen Seiten. Ich kann ihn nicht mehr nur hören, sondern auch sehen, riechen und schmecken. Lärm ist bunt. Tausend Farben, die über alle Oberflächen tanzen und sich hektisch bewegen, als wären sie vor irgendwas auf der Flucht. Lärm schmeckt süßlich und riecht nach Rauch.
Während die Bässe meine Fußsohlen massieren, schwinge ich wild meine Haare, bis mir einzelne Locken vom Schweiß an der Haut kleben bleiben. Die Welt schwankt, aber das ist in Ordnung, weil ich mich genau nach diesem Gefühl gesehnt habe. Mein Magen ist flau, als würde ich Achterbahn fahren. Mein Kopf ist dumpf, als würden die vielen Geräusche meine Gedanken einfach verdrängen.
Direkt vor mir sitzt noch immer ein Kerl auf der Couch und lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Vor eineinhalb Jahren bin ich völlig übereilt in ein Flugzeug gestiegen, um meiner Heimat zu entkommen. Und während er mich mit seinen Blicken auszieht, scheint alles, was ich zurückgelassen habe, ewig weit entfernt zu sein. Deswegen lasse ich mich auch von ihm auf seinen Schoß ziehen.
Ich habe keine Ahnung, wie er heißt, und das spielt auch keine Rolle. Solche Dinge verlieren spätestens nach dem fünften Tequila ihre Bedeutung, falls sie jemals eine hatten. Ich lege meine Arme um seinen Hals und küsse ihn.
Er küsst eigentlich ganz gut. Vermutlich, weil ich nicht die erste betrunkene, fremde Frau bin, die er in seinem Leben geküsst hat. Mein Name ist ihm bestimmt genauso egal wie mir seiner. Aber auch das spielt keine Rolle. Ich vergrabe intuitiv meine Finger in seinen Haaren, deren Farbe ich schon wieder vergessen habe.
Als seine Hände langsam unter mein T-Shirt fahren, wird mein Magen noch flauer. Als wäre die Achterbahn nun ganz oben angekommen, kurz bevor sie herunterrast. Ich stehe gerade an der obersten Spitze. Dies ist die eine Sekunde, in der alles still und ruhig ist. Die Sekunde, in der man sich vor Erwartung in seinen Sitz presst und das Herz viel zu schnell schlägt, weil man sich fragt, ob man sich vielleicht doch überschätzt hat und wie man aus der Sache wieder rauskommt.
Doch ich will nicht aussteigen. Ich will mich nicht eines Besseren besinnen oder einen Rückzieher machen. Und was ich als Allerletztes will, ist an zu Hause denken. Und solange ich raue Hände auf meiner nackten Haut fühle, den Tequila nicht mehr nur in meinem eigenen Mund, sondern auch auf der Zunge dieses Typen schmecke und nichts anderes höre als irgendeinen austauschbaren Techno-Beat, ist in meinem Körper kein Platz für Traurigkeit.
»Wollen wir in mein Zimmer gehen?«, flüstert er in mein Ohr, bevor er eine Spur meinen Hals hinunterküsst. Ich nicke nur, und er stellt mich wieder auf meine Füße. Dafür, dass er bestimmt auch betrunken ist, ist er noch ziemlich feinmotorisch. Sehr beeindruckend.
Er nimmt meine Hand und zieht mich durch die Wohnung an fremden Gesichtern vorbei, die zu einer Masse verschwimmen, als würde ich in einem Auto an ihnen vorbeirasen. Da hat er auch schon eine Tür erreicht und führt mich in ei