: Tobias Dänzer
: Rhetorik-Kurs mit Cicero Dänzer, Tobias - deutsche Übersetzung lateinischer Lektüre - 14306
: Reclam Verlag
: 9783159620732
: Reclams Universal-Bibliothek
: 1
: CHF 6.50
:
: Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft
: German
: 125
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was macht eine gute Rede aus? Und wie gelingt sie? Der berühmte römische Politiker Cicero (106-43 v. Chr.) hat der Nachwelt theoretische Schriften zur Rhetorik hinterlassen und es selbst in dieser Kunst zur Perfektion gebracht. Warum die Rhetorik also nicht von ihm erlernen? Dieser Kurs in zehn Lektionen macht es möglich - konzipiert aus Ciceros Tipps und mit Beispielen aus seinen Reden. Lektion 1: Was ist gute Rhetorik? Lektion 2: Besser reden - ein methodischer Leitfaden Lektion 3: Die Rede beginnen Lektion 4: Das Beweisziel finden Lektion 5: Mitreißend erzählen Lektion 6: Überzeugend argumentieren Lektion 7: Stilistisch beeindrucken Lektion 8: Mit Humor gewinnen Lektion 9: Frei und sicher sprechen Lektion 10: Wirkungsvoll auftreten

Tobias Dänzer studierte Griechisch, Latein, Italienisch und Erziehungswissenschaften in Würzburg und Messina. 2017 wurde er mit einer Arbeit zum Renaissance-Gelehrten Angelo Poliziano promoviert, 2022 mit einer Arbeit über Quintilians Institutio oratoria habilitiert. Er ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für Latinistik in Würzburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen neben der antiken Rhetorik die lateinische Briefliteratur, das römische Recht und das Fortwirken des griechisch-römischen Denkens in Renaissance und Früher Neuzeit.

LEKTION 2: Besser reden – ein methodischer Leitfaden


Um ein Gefühl für gute Rhetorik zu entwickeln und um sich rhetorisch zu verbessern, braucht es Zeit. Schneller Erfolg, wie er heute häufig in Aussicht gestellt wird, war zwar auch in der Antike wünschenswert: So hatte Cicero seinen steilen politischen Aufstieg vor allem seiner beeindruckenden Redekunst zu verdanken. In seinen theoretischen Schriften allerdings verstand er die Arbeit an der Rhetorik als Lebensaufgabe. Zeitlebens suchte er das Ideal, ja die platonische Idee des »vollkommenen Redners«, desperfectus orator. So schrieb er am Beginn desOrator:

Beim Entwurf des vollkommenen Redners werde ich einen Redner beschreiben, wie es ihn wohl niemals gegeben hat. Ich frage nämlich nicht, wer ein solcher Redner war, sondern was das unübertreffliche Ideal ist, das im ganzen Zusammenhang der Rede zwar sehr selten oder möglicherweise noch nie sichtbar geworden ist, wohl aber schon in einem Teilbereich, und zwar bei den einen deutlicher, bei den anderen vielleicht etwas spärlicher. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es auf keinem Gebiet ein so vollkommen schönes Ding geben kann, dass nicht die ursprüngliche Idee noch schöner wäre, der es wie der Abdruck eines Gesichts nachgebildet ist. Sie lässt sich nicht mit Augen, Ohren oder sonst einem Sinn erfassen, doch im Denken und in der Vorstellung können wir sie begreifen.     (Orator 7–8)

Darüber, wie man diesem rhetorischen Idealbild am nächsten kommen könne, herrschte allerdings nicht einmal in der Familie Tullius Cicero Einigkeit. Wenn man den einleitenden Bemerkungen zuDe oratore Glauben schenkt, so hat es zwischen Marcus und seinem Bruder Quintus einen innerfamiliären Disput darüber gegeben, was nötig sei, um ein guter Redner zu werden – ein Thema, das heutzutage wohl nur noch selten im Familienkreis diskutiert wird:

In unseren Unterhaltungen bist du in dieser Sache immer wieder anderer Auffassung als ich: Während ich auf dem Standpunkt stehe, dass Redekunst höchste fachwissenschaftliche Bildung zur Grundlage habe, vertrittst du die Meinung, Redekunst sei von allzu gründlicher Theorie freizuhalten und von Begabung und praktischer Anwendung abhängig.     (De oratore 1,5)

Im Zitat sind zwei Auffassungen kontrastiert: Quintus erachtet Talent (ingenium) und praktische Übung (exercitatio) als hinreichend für den rhetorischen Erfolg, Marcus betont die Wichtigkeit von Theorie (doctrina) und umfassende