: Charles Dickens
: Dombey und Sohn. Band Eins Roman in vier Bänden (Illustriert)
: apebook Verlag
: 9783961305223
: Die Tragödie des Paul Dombey
: 1
: CHF 0.50
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: Erzählende Literatur
: German
Paul Dombey ist ein wohlhabender, stolzer und kalter Mann, der nur einen Wunsch hat: einen Sohn, der seinen Namen trägt und das Geschäft weiterführt, das er aufgebaut hat. Als Paul Dombey sein Sohn geboren wird, den er ebenfalls Paul nennt, glaubt er endlich den Nachfolger für sein Unternehmen zu haben, auf den er solange gehofft hatte - ist sein erstes Kind Florence doch als Tochter für seine geschäftlichen Belange nicht weiter zu gebrauchen. Doch Paul entwickelt sich nicht so kräftig, gesund und vielversprechend, wie Dombey es erwartet... 'Dombey und Sohn' ist die fesselnde Darstellung eines Mannes, der in seinem eigenen Stolz gefangen ist, und zeigt die verheerenden Auswirkungen emotionaler Verarmung auf eine dysfunktionale Familie. Paul Dombey führt seinen Haushalt so, wie er sein Geschäft führt: kalt, berechnend und kommerziell. In dem Maße, wie Dombeys Gefühllosigkeit sich auf andere ausweitet, einschließlich seiner trotzigen zweiten Frau Edith, legt er den Grundstein für seinen eigenen Untergang. 'Dombey und Sohn' ist voller unvergesslicher Charaktere und Szenen, die mit einer fast surrealen Intensität geschrieben sind. Der Roman ist, wie die meisten von Dickens' Werken, von eindringlicher Sprache und stiller Melancholie geprägt. Die Geschichte veranschaulicht die alte Botschaft, dass nichts außer Liebe und Güte zählt, dass wir und alles, was wir haben, vergänglich ist und dass Stolz und Egoismus die verderblichsten Waren sind, die man auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten kaufen kann. Es gibt (typisch für Dickens) viele groteske Figuren in dem Roman - einige gute (der liebevolle und gutmütige Kapitän Cuttle, die freche und defensive Susan Nipper), einige schlechte (die mürrische Mrs. Pipchin, der kriecherische Major) und einige böse (das Sinnbild vollendeter Heuchelei - Mr. Carker). Der Charakter des frühreifen und dem Untergang geweihten Paul Dombey ist jedoch eine literarische Schöpfung eigener Klasse. Das Kapitel mit dem Titel 'Was die Wellen immer sagten' beschreibt mit halluzinatorischer Intensität die Welt in den Augen eines sterbenden Kindes und war eine der berühmtesten Szenen der viktorianischen Zeit; sie bleibt eine der stärksten in der gesamten Literatur. 'Dombey und Sohn' hat alles, was der reife Dickens zu bieten hat. Lebendige Charaktere, eine fesselnde Geschichte und Sätze von beeindruckender Tiefe und Scharfsinn. Dies ist der erste von insgesamt vier Bänden. Illustrierte Ausgabe.

Zweites Kapitel.


 

In welchem zeitige Vorsorge für einen Fall getroffen wird, der bisweilen in den geordnetsten Familien vorkommt.


 

»Mein Leben lang will ich mich glücklich schätzen«, sagte Mrs. Chick, »daß ich mich aussprach, als ich nicht entfernt daran dachte, was uns bevorstand – in der Tat; es war, wie wenn ich durch eine höhere Fügung geleitet würde, als ich Fanny alles vergab. Was nun auch kommen mag, das wird mir stets ein Trost bleiben!«

Mrs. Chick sprach in diesen eindrucksvollen Worten, als sie vom Frauenschneider, der in einem oberen Zimmer mit der Anfertigung von Trauergewändern beschäftigt war, wieder nach dem Besuchszimmer zurückkam. Ihre Worte galten Mr. Chick, einem beleibten, kahlköpfigen Gentleman mit sehr breitem Gesicht, der seine Hände stets in den Taschen trug und einen natürlichen Hang besaß, Arien vor sich hin zu pfeifen oder zu summen. Dies war nun freilich in einem Hause der Trauer nicht sehr angebracht und er fühlte es auch: aber es kostete ihn nicht geringe Anstrengung, seine Liebhaberei zu unterlassen.

»Strenge dich doch nicht allzusehr an, Frau«, sagte Mr. Chick, »denn du wirst sonst sehen, daß du deine Krämpfe kriegst. Tra-la-la-la! Behüt' mich – wie ich mich vergesse. Wir sind übernächtig – heute rot, morgen tot.«

Mrs. Chick begnügte sich mit einem Blick des Vorwurfs und nahm sodann den Faden ihres Gesprächs wieder auf.

»Ich hoffe in der Tat«, sagte sie, »dieses herzzerreißende Ereignis wird für uns alle eine Warnung sein. Wir müssen uns daran gewöhnen, Anstrengungen durchzumachen für die Zeit, wenn wir es nötig haben. Alles führt eine Lehre mit sich, wenn wir sie nur benutzen wollen, und es ist bloß unsere Schuld, wenn wir nicht auf diesen einen wichtigen Wink achtgeben.«

Mr. Chick störte das auf diese Bemerkung folgende ernste Schweigen durch die auffallend unpassende Arie: ›Ein Schlosser hat en G'sellen g'habt‹, unterbrach sich aber schnell mit einiger Verwirrung und erklärte sodann, es sei ohne Zweifel unser eigenes Verschulden, wenn wir so ein trauriges Geschick wie das gegenwärtige uns nicht zur Lehre machten.

»Sie sollten zu was Besserem Anlaß geben, meine ich, Mr. Chick«, erwiderte seine zweite Hälfte nach einer kurzen Pause, »als zu Schelmenliedern oder zu der ebenso nichtssagenden und gefühllosen Bemerkung des ›Rumpditty bau wau wau!‹« In dieser hatte sich nämlich Mr. Chick in halblautem Tone wirklich ergangen, und seine Frau Gemahlin ahmte ihn spottend nach.

»Nur eine Gewohnheit, meine Liebe«, entschuldigte sich Mr. Chick.

»Unsinn! Gewohnheit!« entgegnete die Dame. »Wenn du ein vernünftiger Mensch bist, so komm' mir bitte nicht mit solchen lächerlichen Ausreden. Gewohnheit! Wenn ich mir die Gewohnheit, wie du's nennst, aneignen wollte, wie die Fliegen an der Zimmerdecke spazieren zu gehen, so würde ich's wahrscheinlich oft genug zu hören bekommen.«

Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte eine derartige Gewohnheit sehr auffallen müssen, und auch Mr. Chick mochte dies einsehen, denn er verriet nicht die kleinste Neigung, zu widersprechen.

»Und wie geht's dem Bübchen, Frau?« fragte Mr. Chick, um der peinlichen Stimmung auszuweichen.

»Was für ein Bübchen meinst du?« fragte Mrs. Chick. »Ich habe heute morgen im Speisezimmer drunten eine solche Menge von Bübchen gehabt, daß man seinen Sinnen kaum glauben sollte.«

»Eine Menge von Bübchen?« wiederholte Mr. Chick, indem er mit dem Ausdruck größter Unruhe umherblickte.

»Den meisten Menschen würde es sicherlich eingefallen sein«, entgegnete Mrs. Chick, »nach dem Hinscheiden der armen Fanny für eine Amme zu sorgen.«

»O! Ah!« versetzte Mr. Chick – »Turolt – so ist das Leben, wollte ich sagen. Ich hoffe, du hast das Richtige gefunden, meine Liebe.«

»In der Tat, nein«, sagte Mrs. Chick, »und das wird auch nicht so schnell gehen, so weit ich die Dinge übersehen kann. Inzwischen wird natürlich das Kind –«

»Zum Teufel fahren«, versetzte Mr. Chick gedankenvoll. »Natürlich.«

Die Entrüstung, die sich bei der Idee, daß ein Dombey eine solche Reise antreten könnte, in Mrs. Chicks Gesicht ausdrückte, belehrte ihn jedoch, daß er eine Ungeschicklichkeit begangen habe, weshalb er, um sein Vergehen wieder gut zu machen, in wohlmeinender Absicht beifügte:

»Könnte nicht vorderhand der Teetopf Abhilfe leisten?«