: Charles Dickens
: Dombey und Sohn. Band Drei Roman in vier Bänden (Illustriert)
: apebook Verlag
: 9783961305247
: 1
: CHF 3.60
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: Erzählende Literatur
: German
Paul Dombey ist ein wohlhabender, stolzer und kalter Mann, der nur einen Wunsch hat: einen Sohn, der seinen Namen trägt und das Geschäft weiterführt, das er aufgebaut hat. Als Paul Dombey sein Sohn geboren wird, den er ebenfalls Paul nennt, glaubt er endlich den Nachfolger für sein Unternehmen zu haben, auf den er solange gehofft hatte - ist sein erstes Kind Florence doch als Tochter für seine geschäftlichen Belange nicht weiter zu gebrauchen. Doch Paul entwickelt sich nicht so kräftig, gesund und vielversprechend, wie Dombey es erwartet... 'Dombey und Sohn' ist die fesselnde Darstellung eines Mannes, der in seinem eigenen Stolz gefangen ist, und zeigt die verheerenden Auswirkungen emotionaler Verarmung auf eine dysfunktionale Familie. Paul Dombey führt seinen Haushalt so, wie er sein Geschäft führt: kalt, berechnend und kommerziell. In dem Maße, wie Dombeys Gefühllosigkeit sich auf andere ausweitet, einschließlich seiner trotzigen zweiten Frau Edith, legt er den Grundstein für seinen eigenen Untergang. 'Dombey und Sohn' ist voller unvergesslicher Charaktere und Szenen, die mit einer fast surrealen Intensität geschrieben sind. Der Roman ist, wie die meisten von Dickens' Werken, von eindringlicher Sprache und stiller Melancholie geprägt. Die Geschichte veranschaulicht die alte Botschaft, dass nichts außer Liebe und Güte zählt, dass wir und alles, was wir haben, vergänglich ist und dass Stolz und Egoismus die verderblichsten Waren sind, die man auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten kaufen kann. Es gibt (typisch für Dickens) viele groteske Figuren in dem Roman - einige gute (der liebevolle und gutmütige Kapitän Cuttle, die freche und defensive Susan Nipper), einige schlechte (die mürrische Mrs. Pipchin, der kriecherische Major) und einige böse (das Sinnbild vollendeter Heuchelei - Mr. Carker). Der Charakter des frühreifen und dem Untergang geweihten Paul Dombey ist jedoch eine literarische Schöpfung eigener Klasse. Das Kapitel mit dem Titel 'Was die Wellen immer sagten' beschreibt mit halluzinatorischer Intensität die Welt in den Augen eines sterbenden Kindes und war eine der berühmtesten Szenen der viktorianischen Zeit; sie bleibt eine der stärksten in der gesamten Literatur. 'Dombey und Sohn' hat alles, was der reife Dickens zu bieten hat. Lebendige Charaktere, eine fesselnde Geschichte und Sätze von beeindruckender Tiefe und Scharfsinn. Dies ist der dritte von insgesamt vier Bänden. Illustrierte Ausgabe.

Zweites Kapitel.


 

Der hölzerne Midshipman geht in die Brüche.


 

Der ehrliche Kapitän Cuttle versäumte, obgleich er schon Wochen in seinem befestigten Zufluchtsorte zugebracht hatte, keineswegs die klugen Vorsichtsmaßregeln gegen Überraschung, und ließ sich durch das Ausbleiben des Feindes nicht beirren. Er war der Ansicht, daß seine gegenwärtige Sicherheit viel zu tief und wunderbar sei, um für die Dauer bestehen zu können. Er wußte, daß der Wetterhahn selten nagelfest blieb, wenn der Wind aus einer ungünstigen Richtung blies, und war zu gut mit dem entschlossenen furchtlosen Charakter der Mrs. Mac Stinger bekannt, um daran zu zweifeln, daß diese heroische Dame nicht alle ihre Kräfte aufbieten werde, um ihn aufzufinden und wieder zu kapern. Zitternd unter dem Gewicht dieser Gründe, führte Kapitän Cuttle ein sehr stilles, zurückgezogenes Leben und ging selten anders als nach Einbruch der Dunkelheit aus. Selbst dann wagte er sich nur in die dunkelsten Straßen. Namentlich hütete er sich, an Sonntagen seine Wohnung zu verlassen, und bei jeder Gelegenheit, sowohl innerhalb wie außerhalb der Mauern seines Zufluchtsorte, mied er Weiberhüte, als würden sie von brüllenden Löwen getragen.

Der Kapitän ließ sich nie den Gedanken kommen, daß es, wofern Mrs. Mac Stinger ihn auf einem seiner Ausgänge ertappte, möglich sein könnte, ihr Widerstand zu bieten. Er fühlte, daß dieses nicht anging, und vergegenwärtigte sich sogar schon, wie er ganz zahm in eine Mietkutsche gepackt und nach seiner alten Wohnung abgeführt wurde. War er einmal dort eingemauert, so mußte er sich als verlorenen Mann betrachten. Sein Hut wurde in Beschlag gelegt, Mrs. Mac Stinger bewachte ihn Tag und Nacht, Vorwürfe fielen auf sein Haupt nieder vor der jungen Familie, und er selbst erschien als der schuldbeladene Gegenstand des Argwohns und Mißtrauens – in den Augen der Kinder als ein Werwolf, in denen der Mutter als ein entdeckter Verräter.

Der Kapitän wurde stets ganz kleinmütig, und der Schweiß brach ihm aus allen Poren, wenn er sich dieses düstere Bild seiner Einbildungskraft vergegenwärtigte. Das war in der Regel der Fall, ehe er nachts um der frischen Luft und der Bewegung willen sich aus dem Hause schlich. Im Gefühl der Gefahr, die ihn bedrohte, verabschiedete er sich bei solchen Anlässen von Rob mit der Feierlichkeit eines Mannes, der vielleicht nie wieder zurückkehrt. Er ermahnte ihn für den Fall seines plötzlichen zeitweiligen Verschwindens, auf den Pfaden der Tugend fortzuwandeln und die Messing-Instrumente blank zu erhalten.

Um übrigens keine Gelegenheit zu versäumen, sich für den schlimmsten Fall ein Mittel zu sichern, mit der äußern Welt in Verkehr zu treten, kam Kapitän Cuttle bald auf den glücklichen Gedanken, Rob, den Schleifer, über ein geheimes Signal zu belehren, wodurch dieser Anhänger ihm in der Stunde der Not seine Nähe und Treue bekunden konnte. Nach reiflicher Erwägung entschied er sich dafür, ihn die Melodie des Matrosenliedes: »Auf, Matrosen, die Anker gelichtet!« pfeifen zu lehren, und nachdem es Rob, der Schleifer, darin zu einer Vollkommenheit gebracht hatte, wie sie besser von einer Landratte nicht zu erwarten war, legte ihm sein Gebieter noch folgende geheimnisvolle Weisungen ans Herz:

»Jetzt halt bei, mein Junge! Wenn ich gefaßt werde –«

»Gefaßt, Kapitän?« unterbrach ihn Rob, seine runden Augen weit aufsperrend.

»Ah!« entgegnete Kapitän Cuttle geheimnisvoll, »wenn ich je fortgehe, in der Absicht, beim Nachtessen wieder da zu sein, und nicht wieder in Rufweite komme, so suchst du vierundzwanzig Stunden nach meinem Verschwinden Brig-Place auf und pfeifst dort in der Nähe meines alten Ankergrundes diese Melodie. Merke wohl, nicht als ob du etwas damit im Schild führst, sondern unter dem Anschein, als seiest du von ungefähr dahin getriftet. Gebe ich in der gleichen Weise Antwort, mein Junge, so stoppst du ab und kommst nach vierundzwanzig Stunden wieder; pfeife ich aber eine andere Melodie, so steuerst du aus und ein und wartest, bis ich dir weitere Signale zugehen lasse. Begreifst du diese Weisungen?«

»Wie soll ich denn aus- und einsteuern, Kapitän?« fragte Rob. »Auf dem Fahrwege?«

»Du bist mir ein pfiffiger Bursche«, rief der Kapitän, ihn finster ins Auge fassend, »der nicht einmal sein eigenes ABC versteht! Du gehst abwechselnd ein bißchen weg und kommst wieder zurück – begreifst du das?«

»Ja, Kapitän«, versetzte Rob.

»Gut also, mein Junge«, sagte der Kapitän in milderem Ton. »So wirst du es halten.«

Damit hierin ja kein Fehler vorgehe, ließ sich Kapitän Cuttle abends, nachdem der Laden geschlossen war, bisweilen herab