: A. J. Liebling
: Zwischen den Gängen Ein Amerikaner in den Restaurants von Paris
: Berenberg Verlag GmbH
: 9783949203589
: 1
: CHF 12.20
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: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 232
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Über Paris und die französische Küche in ihrer besten Zeit hat niemand so geschrieben wie der wunderbare A. J. Liebling, für den ein Tag ohne opulentes Mittag- und Abendessen nicht der Rede wert war. Zeit seines Lebens ein engagierter politischer Publizist und Gourmand hatte er das Glück, sich von unten nach oben durch die französische Hauptstadt fressen zu ­müssen: Als junger Mann entdeckte er in den zwan­ziger Jahren, dass sich teures Essen und guter Geschmack nicht unbedingt vertragen. Später, als Korrespondent des »New Yorker«, erklomm er, ausgerüstet mit ebenso ­respektgebietendem wie gelassenem Sachverstand, sämtliche ­Gipfel, die das kulinarische Paris zu bieten hatte. ­Niemand hat darüber mit solch hinreißen­der Passion und stoischem Witz geschrieben wie Liebling in seinem letzten Buch. »Eine kurzweilige und garantiert appetitanregende Lektüre.« Johannes Willms, Süddeutsche Zeitung

A. J. Liebling, geboren 1904 in Man­hattan, gehörte zu der an Legenden reichen ­Redaktion des New ­Yorker, für den er seit 1935 bis zu seinem Tod schrieb. Er war Korrespondent in Paris, berichtete von den westlichen Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs. Neben dem guten Essen gehörte seine Liebe dem Boxen, der »Sweet Science«. Er starb 1963 in New York.

Mein erstes Paris


Mein persönliches Paris ist wie Byblos im Libanon, ein Stapel von Städten, dem Alter nach aufeinandergetürmt, die älteste ganz zuunterst. Byblos hat übrigens auch seine kulinarischen Bezüge, denn die unteren Schichten sind durchsetzt von großen Kochgeschirren, welche die Skelette eines Volkes enthalten, das seine Toten sott und zusammenklappte. Ich weiß – weil man es mir erzählt hat –, dass ich im Jahre 1907 in Paris war, mit drei Jahren, in einem Hotel am Cours-la-Reine, aber von diesem frühesten Besuch hat mein Gedächtnis nichts aufbewahrt. Das erste Paris, an das ich mich erinnere, ist eine Stadt der Arkaden, wie die Theaterdekoration einer Straße, deren eine Seite stets im kühlen Schatten liegt, die andere in der hellen heißen Sonne. In der Straßenmitte befand sich ein Kürassier, die ähnlichste Verkörperung eines geharnischten Ritters, die ich außerhalb eines Bilderbuchs erblickt hatte, riesenhaft in Lederkoller und Stiefeln. Er saß auf einem Pferd mit zwei Schwänzen, dem einen am üblichen Ort und dem anderen hinten am Helm des Mannes. Das war die Rue de Rivoli in den Hundstagen des Jahres 1911, als meine Familie hier auf der Reise zurück nach New York Station machte, nachdem die Ferien im »richtigen Europa« – Europa odiosa! – vorüber waren, in einer Region, wo die Bewohner Deutsch sprachen, wie dies auch meine Unterdrückerinnen taten, die Fräulein. Das Wort »Fräulein« hat für mich in starkem Maße die besondere Bedeutung von »Kindermädchen«. Es dauerte Jahre, bis ich dahinterkam, dass man es auch auf eine unverheiratete Frau, die keine Hausangestellte war, anwenden konnte. Viele der Fräulein in unserem Dienst müssen verheiratet gewesen sein, aber ich dachte niemals an eine von ihnen als »Frau«.