: Stefan Moster
: Das Fundament des Eisbergs Eine arktische Sehnsucht
: mareverlag
: 9783866488106
: 1
: CHF 14.00
:
: Welt, Arktis ,Antarktis
: German
: 320
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als die lang geplante Nordreise platzt, lässt die Arktis-Sehnsucht ihn nicht los. Und so versucht der für seine Romane bekannte Autor ihr anders nachzugehen als an Bord eines Schiffes: träumend - und lesend. Er liest über frühe Polarhelden und heutige Arktisforschende, er vergegenwärtigt sich die Erhabenheit, aber auch die Gefährdung der Natur, er imaginiert eisige Weiten und ewige Dunkelheit, Eisberge und Eisbären, und er erinnert sich an persönliche Begegnungen: mit dem Nordwind auf dem zugefrorenen Meer, mit freiheitlichen Gesellschaften, mit Fjällbirken und Stürmen, mit Polarlichtern und Elfenbeinmöwen. So entsteht nach und nach ein Buch, das auf einzigartige Weise Fantasie, Sehnsucht und Arktis-Wissen miteinander verbindet. Nach der Lektüre wird jeder sofort aufbrechen wollen - muss es aber nicht, denn nach dieser Lektüre war man schon dort. Stefan Mosters persönlichstes Buch und eine Arktis-Reise der besonderen Art.

Stefan Moster, geboren 1964 in Mainz, lebt als Autor und Übersetzer in Berlin. Er unterrichtete an den Universitäten München und Helsinki; 2001 erhielt er den Staatlichen finnischen Übersetzerpreis. Unter anderem übertrug er Werke von Petri Tamminen, Rosa Liksom, Selja Ahava und Daniel Katz vom Finnischen ins Deutsche. Bei mare erschienen bisher fünf Romane von Stefan Moster, zuletzt »Alleingang« (2019), der mit dem Martha-Saalfeld-Preis ausgezeichnet wurde.

Zeit und Zumutung (1)


Kann es bis zum nächsten Lebenszeichen von mir Frühling werden.«

Alles, was man von George DeLong und seiner Ehefrau Emma weiß, deutet darauf hin, dass sich die beiden wirklich liebten, was ja nichts anderes heißen kann, als dass sie sich an der Nähe des anderen freuten und Sehnsucht hatten, wenn ihnen diese Nähe verwehrt war. Angesichts dessen kann man über Georges Vertröstung auf den nächsten Frühling nur staunen. Was er da schrieb, muss eine ungeheuerliche Zumutung für seine Frau gewesen sein: eine so lange Trennung in vollkommener Ungewissheit, nicht nur ohne jedes gesprochene oder geschriebene Wort, sondern auch ohne Erleichterung durch Informationen über das Befinden des Geliebten!

Je größer die Zumutung, desto schmerzlicher spürbar der Faktor Zeit. Ein Paar von heute kann sich auf eine Trennung von einem halben Jahr einigen, wenn beide Beteiligten die Gründe einsehen, sie für vernünftig oder nötig halten, wenn beide eine Vorstellung davon haben, wie sie während der Zeit Kontakt zueinander halten werden, und wenn sie das Ende der besagten Periode datieren können. Welches Paar aber ließe sich auf eine Periode ohne Lebenszeichen ein, deren Ende nicht absehbar ist?

Die Zumutung für Emma war enorm und wurde durch den Aspekt der unbestimmten Dauer ungeheuerlich.

Für George stellte sich das Ganze etwas anders dar, aber ich bin nicht sicher, ob man seine Sicht der Dinge auch nur annähernd erfassen kann, wenn man nicht im 19. Jahrhundert in der Arktis unterwegs gewesen ist und überdies vom arktischen Fieber erfüllt war.

Tatsache scheint zu sein, dass die Arktis das normale Zeitgefühl des Menschen beeinträchtigt oder gar außer Kraft setzt, sodass es einem Menschen plötzlich möglich ist, der Frau, die er liebt, zu schreiben, sie solle nicht auf ihn warten, es könne sein, dass sie erst nächsten Frühling wieder etwas von ihm höre.

Es gibt schlicht und einfach keine andere Lebenssituation, in der man sich einen solchen Satz vorstellen kann. Solche Sätze sind Arktiserkundern vorbehalten, Menschen, die alles anders sehen, sobald sie den Blick auf d