: Joachim Ringelnatz
: Joachim Ringelnatz: Als Mariner im Krieg - Band 195e in der maritimen gelben Buchreihe - bei Jürgen Ruszkowski Band 195e in der maritimen gelben Buchreihe
: neobooks Self-Publishing
: 9783754193785
: 1
: CHF 17.70
:
: Geschichte
: German
: 576
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses Buch beschreibt die Entwicklung der Stimmung der deutschen Bevölkerung im Ersten Weltkrieg von der euphorischen Begeisterung im August 1914 bis zum meuternden und revolutionären Aufbegehren gegen die Obrigkeit im November 1918. Bis ins kleinste Detail wird der Krieg aus der Sicht eines Marine-Soldaten beschrieben. Wilhelmshaven, Cuxhaven, Emden, Kiel, Warnemünde, Swinemünde, Libau, Kurland, diese Hafenstädte und Küstenlandschaften an Nord- und Ostsee werden genau beschrieben. Der Alkohol floss in Strömen. Wein, Weib und Gesang bestimmten den Mariner-Alltag. In den deutschen Großstädten herrschte im letzten Kriegsjahr Hunger und Elend. Die Spanische Grippe kam zum Schluss dazu und raffte Zivilisten und Soldaten massenweise weg. Dies Busch ist ein historisches Zeitdokument. - Rezension zur maritimen gelben Reihe: Ich bin immer wieder begeistert von der 'Gelben Buchreihe'. Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

Joachim Ringelnatz (der sich seit 1919 nach dem seemännischen Namen für das glückbringende Seepferdchen Ringelnatz nannte), geboren am 7. August 1883 in Wurzen in Sachsen als Hans Gustav Bötticher; gestorben am 17. November 1934 in Berlin.

2 – Mit „BLEXEN“ in der Werft


Mit „BLEXEN“ in der Werft

Ich war für das 2. Jade-Sperrschiff „BLEXEN“ bestimmt. Zunächst musste ich aber noch von Schreibstube zu Schreibstube laufen und überall lange warten, bevor ich nähere Instruktionen, Ausweise und meine rückständige Löhnung bekam. Dabei hatte ich ein zufälliges Wiedersehen mit meinem „Gesuch betreffend Schadenersatz für Reparatur einer im Dienste beschädigten Privatuhr“. Das Schreiben war vom Hauptmann unterschrieben, es wanderte nun zur Kompanie, von dort zur Division und wahrscheinlich weiter, immer weiter.

Mit anderen Schicksalsgenossen marschierte ich nach der Werft, an den beiden beschädigten Schiffen „FRAUENLOB“ und „STETTIN“ vorbei zum Navigationsressort, wo wir uns meldeten und wo unsere Personalien zum unzähligsten Male aufgenommen wurden. Dann wieder durch die weitläufigen Dockanlagen, zwischen Stapeln von Fässern, Schiffsschrauben und über sauber aufgeschichtete Ankerketten hinweg, immer den schweren Zeugsack auf dem Buckel und überall nach der „BLEXEN“ fragend. Wir fanden und beschnüffelten sie kritisch. Es war ein kleiner, wenig Vertrauen erweckender Privatschlepper, der knapp für fünf Personen Platz hatte, und wir sollten ihn mit elf Mann besetzen, nämlich dem Kommandanten, zwei Maaten (Jessen und ich), zwei Matrosen (Eichmüller und Apfelbaum), drei Maschinistenmaaten und drei Heizern. Im Logis konnten sich zwei Menschen nur mit Mühe aneinander vorbeiwinden. An Deck waren Arbeiter beschäftigt, alles war verdreckt, und außer Minenmaterial fanden wir kein Inventar an Bord. „Das gibt viel Arbeit mit Aufklaren, Waschen und Malen“, sagte Jessen. Mit ihm verabredete ich, dass wir fortan zu den Leuten etwas Distanz wahren und sie auch künftig mit „Sie“ anreden wollten, weil einige gleich plump vertraulich auftraten, besonders der lange und, wie ich schon gespitzt hatte, unaufrichtige und feige Apfelbaum.

Wer etwas kochen könnte, fragte der Kommandant. Apfelbaum trat vor und wurde in die niedrige, enge Küche gesteckt, wo er sich unter unserem Gelächter einrichtete. Dann fuhr ein Teil von uns mit dem Kommandanten in einer Barkasse über den Bauhafen, um Bordrequisiten zu beschaffen. Staunend und darüber unwillkürlich leise, wie auf Zehen, gingen wir durch die weiten Säle des Depots. Da war einer ganz mit Flaggen, ein anderer mit Porzellan, ein dritter mit Besenstielen und Scheuerlappen bis an die Decke angefüllt. Und wie wir die Barkasse nun mit soundso viel Signalflaggen, Ölzeugen, Kupferkesseln, nautischen Instrumenten, Bootshaken, Pinseln, Tassen, Tellern, Farbe, Proviant und anderen Dingen beluden, die alle nagelneu und blitzeblank waren, da sagte jemand: „Das ist wie Weihnachtsbescherung.“ Mehrmals mussten wir mit solcher Ladung hinüber- und zurückfahren. Mir ward so seemännisch wohl zumut. Die Barkasse schaukelte in Wind und Sonne. Rings herum sah man die von Kanonen strotzenden Panzerschiffe, und aus dem geteerten Tauwerk roch ich alte Erinnerungen.

Inzwischen hatte der Koch uns Kaffee gebrüht und Speck und Butter hingestellt. Er gab mir, sicher nicht aus Sympathie, ein besonders großes Stück und machte mir auch vor, wie ich auf meiner Bootsmannspfeife blasen müsste. Aber ich vermochte nur klägliche und blamable Töne zu erzeugen, während alle meine Kameraden auf demselben Instrument die festgelegten, vielen Signale wie Lerchen trillerten.

Ich richtete meine unglaubhaft schmale und kurze Koje ein, eine Decke pfropfte ich zusammengerollt zu Kopfende unter die Matratze. Am Fußende war ein Tragbrettchen angebracht. Dorthin legte ich mein Wichtigstes: Uhr, Börse, Bordmesser und Spindschlüssel. Mein kleiner Spind war so vollgepfropft, dass ich ihn nur mit Hilfe von Fußtritten schließen konnte. Aber nicht alle Leute bekamen Koje und Spind, für einige wurden Matratzen auf den Boden gelegt, für andere Hängematten aufgehängt.

Bevor wir Urlaub bis zehn Uhr erhielten, gab mir der Kommandant noch den mich ehrenden Auftrag, am nächsten Morgen Punkt 8 Uhr die Flaggenparade vorzunehmen. Außerdem wurden wir wieder einmal ermahnt, nicht über maritime