3. JOHANNES
Emil Seyers Stimme knarrt unfreundlich, seine Worte sind auch nicht liebenswürdig. Dabei habe ich ihn doch schon gezähmt. Weil er länger in diesem Laboratorium Professor von Gablenz’ Mitarbeiter ist, spielte er sich wirklich unverschämt auf. Nun, ich habe ihn so grob behandelt, daß er beinahe höflich geworden ist. Jetzt wirft er mir voll Empörung vor, daß ich eigene Gedanken habe und eigene Themen bearbeiten möchte. Der Emil wird immer ein braver und treuer Diener seines Herrn bleiben. Er bewundert, er identifiziert sich mit dem Mächtigen. Das ist unser brummig gütiger Ferdinand. Ferdinand der Gütige wird von Gablenz von seinen Mitarbeitern genannt. Ich erinnere mich, daß man den Vorgänger Franz Josephs Ferdinand den Gütigen nannte, um zu verschleiern, daß er schwachsinnig war. Unser Ferdinand ist keineswegs schwachsinnig, sondern ein großer Mann. Seine Arbeiten, die Arbeiten seiner Jugend haben die Biochemie grundlegend beeinflußt. Jetzt ist er zu meinem Leidwesen der Überzeugung, daß junge Leute keinen eigenen Gedanken fassen dürfen, sondern die Ideen ihrer Chefs in die Praxis des Laboratoriums umzusetzen haben.
»Du bist doch erst ganz kurze Zeit in diesem Laboratorium«, wirft mir Emil vor. Er ist furchtbar stolz darauf, daß er einige Wochen früher zum Mitarbeiter des Vorstandes der Lehrkanzel, zum persönlichen Adjunkt des weltberühmten Ferdinand von Gablenz aufgerückt ist und einige Eprouvetten mehr zerbrochen und etliche Kaninchen mehr umgebracht hat als ich.
»Du wirst schon sehen, was er anfaßt, ist wichtig. Erfahrung …«
»Zur Zeit seiner grundlegenden Arbeit war er ein junger Dozent von siebenundzwanzig Jahren.« Mit siebenundzwanzig Jahren! Werde ich jemals Dozent werden?