1. KAPITEL
Fleur Barclay hoffte, dass es ein gutes Vorzeichen war.
„Wir stellen ein.“ Das Schild im Fenster des einzigen Restaurants in Catamount war ihr sofort ins Auge gefallen. Kurzerhand ließ sie ihr verbeultes Auto stehen, um sich nach dem Job zu erkundigen. Die warme Sommersonne wärmte ihr Gesicht und der Duft von gegrilltem Fleisch hing in der Luft. DasCowboy Kitchen war eine Institution in dem kleinen Ort und hatte schon Burger serviert, als Fleur früher mit ihrer Familie die Großmutter in Catamount besucht hatte. Auch während ihrer Teenagerjahre waren ihre Großmutter und das Restaurant eine wichtige Konstante in ihrem Leben gewesen. Ihre Eltern hatten sich nach einem furchtbaren Rosenkrieg scheiden lassen. Fleur war dabei zwischen die Fronten geraten und hatte schließlich eine Zeitlang bei ihrer Großmutter gewohnt.
Vor fünf Jahren hatte Fleur Catamount Hals über Kopf den Rücken gekehrt, nachdem sie selbst eine schmerzhafte Trennung erlebt hatte. Dass dasCowboy Kitchen noch immer existierte und man sie vielleicht sogar einstellen würde, ermutigte sie.
Da sie gerade arbeitslos war und ohnehin eine Weile hierbleiben musste, um den Nachlass ihrer Großmutter zu ordnen, beschloss sie, das Schild als Wink des Schicksals zu betrachten.
In den letzten Monaten hatte sie nicht nur ihre geliebte Großmutter verloren, sondern gleichzeitig die Avancen ihres Chefs ertragen müssen, sodass sie sich gezwungen sah, ihren Job als persönliche Assistentin aufzugeben. War ihre Pechsträhne endlich zu Ende? Zumindest konnte sie auf der Farm ihrer Großmutter wohnen, während sie alles für den Verkauf vorbereitete. Ohne Job hätte sie ihre Miete in Dallas ohnehin nicht mehr bezahlen können. Auf ihr Arbeitszeugnis würde sie lange warten müssen, nachdem sie ihren Chef wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verklagt hatte, und ohne würde sie in Texas keine gute Stelle mehr finden.
Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Sie schob sich zwischen den parkenden Autos vor dem berghüttenartigen Gebäude hindurch, das neben dem Restaurant auch noch einen Eisenwarenladen und einen Postschalter beherbergte. Ein Restaurant war es eigentlich auch nicht wirklich, eher eine Kneipe. Aber es war nur ein paar Meilen vonCrooked Elm, der Farm ihrer Großmutter, entfernt und sie durfte nicht wählerisch sein. Sie musste Geld verdienen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können, wenn sie nicht an ihre Ersparnisse gehen wollte, die eines Tages für ihr eigenes Restaurant bestimmt waren.
Eine rostige Glocke schepperte, als Fleur die Tür öffnete. Der Geruch von gebratenem Schinken hing in der Luft, obwohl es bereits Nachmittag und die Frühstückszeit längst vorbei war. Es sah alles noch so aus wie früher: weißer Tresen, schwarz-weiß karierter Fußboden und verchromte Barhocker mit türkisfarbenen Sitzflächen aus Kunstleder. Das Einzige, was imCowboy Kitchen an den Wilden Westen erinnerte, war ein überdimensioniertes Bild eines Cowboyhuts an der Wand hinter dem Tresen. Falls es heute einen Ansturm auf den Mittagstisch gegeben hatte, war er jedenfalls vorbei. Ein paar ältere Männer in verblichenen Overalls saßen an einem Tisch am Fenster vor ihren Kaffeetassen. Am Tresen entdeckte sie einen schlaksigen Jungen, ebenfalls im Overall, der gelangweilt über das Display seines Handys wischte.
„Ich komme!“, rief eine Frau aus der Küche. Wahrscheinlich hatte sie die Glocke gehört.
Fleur strich über ihren zerknitterten Rock und stellte sich