: Vandana Shiva
: Wahre Wirtschaft Von der Geldgier zu einer Öekonomie der Fürsorge
: Neue Erde
: 9783890603810
: 1
: CHF 16.00
:
: Natur und Gesellschaft: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von der Ausplünderung zur Regeneration Rechtzeitig zum 70. Geburtstag dieser weltbekannten Wissenschaftlerin und Aktivistin (am 5. November) erscheint ihr neuestes Werk, in dem sie ihre Themen mit Nachdruck und im Lichte der aktuellen Ereignisse vorträgt. Und sie macht deutlich, dass es nicht damit getan ist, das derzeitige Wirtschaftssystem zu reformieren. Denn was wir derzeit haben, ist keine Ökonomie im Sinne von Oikos, dem gemeinsamen »Haus« unserer Erde, dem Haushalt der Natur, den die Ökologie beschreibt. Was »Wirtschaft« und »Wachstum« genannt wird, ist Extraktivismus, Plünderung der Lebensgrundlagen, ein Zehren von der Substanz. Im Geiste Gandhis plädiert sie für ein einfaches Leben in der Gemeinschaft aller Lebewesen in einer Erddemokratie. Es geht ihr nicht allein um Nachhaltigkeit, sondern um die Wiederbelebung des Lebenserhaltungssystems der Erde und eine Wiedereingliederung in die Kreisläufe des Lebens. Das BIP ist ein falsches Maß, welches auf dem Geldumlauf beruht. Doch was das Leben ausmacht, ist weder Geld noch Konsum, noch viel weniger Krankheit und Naturzerstörung, die jedoch ebenfalls das BIP erhöhen. Unsere »Wirtschaft« baut auf falschen Paradigmen auf, die vom Kolonialismus herrühren und Technologie, Digitalisierung und Innovation vergöttern. Gewalt und Apartheid wohnen unserer Art des Wirtschaftens inne, und die Globalisierung führt zu einer Enteignung der 99 Prozent, damit das 1 % der Multimilliardäre ihre Agenda umsetzen kann. Dem stellt Vandana Shiva ihren Entwurf einer wahren Wirtschaft gegenüber: Fürsorge kultivieren und Fülle und Wohlergehen für alle Lebewesen schaffen: auf dem ökologischen Weg der Gewaltlosigkeit.

Vandana Shiva (* 5. November 1952 in Dehradun) ist eine indische Wissenschaftlerin, soziale Aktivistin und Globalisierungskritikerin. Für ihr Engagement in den Bereichen Naturschutz, biologische Vielfalt, Frauenrechte und Nachhaltigkeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Ihr wurde 1993 der Right Livelihood Award - inoffiziell auch Alternativer Nobelpreis genannt - verliehen, weil sie die Themen Frauen und Ökologie in den Mittelpunkt des Diskurses um moderne Entwicklungspolitik gestellt hat. Sie ist unter anderem Mitglied der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft (IOPS). Des weiteren ist sie Gründungsmitglied beim World Future Council.

Kapitel 2:


Die Rückgewinnung der lebendigen Wirtschaft von derDys-Ökonomie11 der Gier, desExtraktivismus und des Geldmachens


Gier und Geldmacherei ist Chrematistik, nicht Oikonomia


Aristoteles nannte die Kunst des Lebens »Oikonomia«. Das Wort »Ökonomie« leitet sich von zwei griechischen Wörtern ab,oikos, »Öko«, das ist der Haushalt im Sinne eines Hausstandes, undnomos, »Ordnung«, »System«, »Gesetz«, »Muster«, »Management«, »Buchhaltung«. Als Lebenskunst und Kunst des Haushaltens ist Wirtschaft auf die lebensspendenden Prozesse und Abläufe in der Natur und der Gesellschaft ausgerichtet. Sie beruht auf der Anerkennung und Respektierung der ökologischen Grenzen der Natur und der Rechte aller Menschen. Lebendiges Wirtschaften trägt die Infrastruktur des Lebens für Natur und menschliche Gesellschaft.

Aristoteles unterschied »Oikonomia«, die natürliche Art und Weise des Wirtschaftens, von der »Chrematistik«, der Kunst des Geldmachens und der Kapitalanhäufung, die auf der unbegrenzten Aneignung von Ressourcen der Natur und des Reichtums beruht, der von Bauern, Arbeitern und Frauen geschaffen wurde. Für Aristoteles ist die bloße Anhäufung von Geld eine unnatürliche Tätigkeit, die auch jene entmenschlicht, die sie ausüben. Zu einer echten und realen Wirtschaft, die den Lebensunterhalt der Menschen sichert, gehört der direkte Austausch zwischen Erzeuger und Verbraucher zu fairen Bedingungen als Teil einer Gemeinschaft. Wenn der Handel jedoch zum Selbstzweck und zur Triebfeder von Produktionssystemen wird, führt er zu Wertabschöpfung und Ausbeutung sowohl der Erde als auch der menschlichen Gesellschaft.

Inspiriert von Aristoteles’ Vorstellungen über den Tausch, entwickelte Karl Marx inDas Kapital eine Arbeitswertlehre und zeigte, wie Handel und Gewerbe den Produzenten Mehrwert entziehen. Unter Berufung auf den lateinischen Klassiker Virgil sprach Marx vonauri sacra fames (Verfluchter Hunger nach Gold, Leidenschaft für das Geld um des Geldes willen).1

WennChrematistik die Oikonomia verdrängt, dann herrscht Gier statt Fürsorge, und Wegnehmen und Abgreifen ersetzen die Kunst des Gebens. So wird die Natur ärmer. Die ökologische Krise ist die Armut der Natur, die entsteht, weil wir der Erde nichts zurückgeben. Die Menschen werden arm und leiden Mangel. Die Armut der Menschen, die sich in zunehmendem Hunger und Krankheiten, Obdachlosigkeit, Vertreibung und Flucht äußert, ist eine Folge des Nichtzurückgebens an die Natur und die Gesellschaft.

Die von Gier getriebene Chrematistik ha