Vorbereitung ist für Beratende ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit. Es gehört zur professionellen Routine, sich im Vorfeld der ersten Begegnung mit einer Gruppe geflissentlich zu informieren. Sollte es ein Auftrag innerhalb einer Organisation sein, haben vermutlich Gespräche mit Verantwortungstragenden der Organisation stattgefunden, die Überschrift über die bevorstehende Veranstaltung(sreihe) ist abgesegnet und an die Teilnehmenden kommuniziert, Hintergrund und Ziel des Beratungsauftrages sind geklärt. Es liegen Informationen über den Kontext vor, z. B. das Organigramm nebstMission-Statement, und die Vor-Geschichten aus der Historie der Organisation und der Gruppe, des Teams oder des Gremiums sind notiert. Welche Fragen sollten sich Beratende darüber hinaus stellen? Es fehlt eine Frage, die fast zu banal scheint, um ihr überhaupt Bedeutung beizumessen, nämlich: Was ist das für ein Typus von Gruppe, mit der ich da arbeiten werde? Und in der Folge: Was lassen sich daraus für Arbeitshypothesen über die zu erwartende Prozessdynamik ableiten?
Bevor wir uns verschiedene Arten von Gruppen anschauen, brauchen wir erst einmal eine allgemeine, halbwegs solide Begriffsbestimmung. Wenn man Gruppe auf dem niedrigsten Definitionslevel als Ansammlung von Menschen versteht, dann ist mithin alles Gruppe, was größer als zwei ist. Zwei werden als »Paar« wahrgenommen und sind auch im soziologischen Verständnis noch keine Gruppe.10 Und schon wird es kompliziert: Kommt die Definition »Gruppe« nun aus der Innen- oder der Außenperspektive? Von außen gesehen kann eine gewisse Anzahl zufällig beieinanderstehender oder sich bewegender Personen (wie z. B. Fußgänger an einer Ampel) durchaus als Gruppe wahrgenommen werden, wenn sie der beobachtenden Person als eine geordnete Einheit erscheinen. Von innen würde sich diese Menschenansammlung wiederum wohl nicht unbedingt als Gruppe sehen.
Ein paar Faktoren müssen sich also finden lassen, die aus einer Menschenansammlung eine Gruppe bzw. ein soziales System machen. Eine erste Idee dieses Vorgangs liefert Niklas Luhmann in einer seiner frühen Schriften:
»Jeder menschliche Kontakt erfordert eine gewisse Selbstdarstellung der Teilnehmer. Sie sagen in ihrem Handeln, Stellungnehmen, Entscheiden, unvermeidlich etwas über sich selbst aus und legen sich damit vor Partnern, die ein Gedächtnis haben, auf bestimmte Ansichten oder Qualitäten fest. Wiederholte Kontakte festigen auf diese Weise im Laufe der Zeit soziale Beziehungen, an die sich Kontinuitätserwartungen knüpfen, kleine Systeme mit eigenen Normen, darunter in der Hauptsache der: so zu bleiben, wie man sich gezeigt hat.«11
Und schon haben wir eine fertige »Gruppe«. Öffnet man die Blende nun etwas weiter auf und schaut auf den schulenübergreifenden sozialwissenschaftlichen Konsens, dann lassen sich folgende Merkmale finden, die aus dieser Sicht eine Gruppe kennzeichnen: