In den Jahren nach dem Holocaust begannen Überlebende auf der ganzen Welt, Gedenkbücher für jede Stadt zusammenzustellen. Diese literarischen Monumente für zerstörte Gemeinden bewahrten lokale Geschichten auf und dokumentierten die Namen der Opfer, um die Erinnerungen lebendig zu halten. Als Historiker des osteuropäischen Judentums weiß ich seit langem zu schätzen, wie diese Gedenkbücher einen Einblick in das Alltagsleben eröffnen. Die Autoren der Beiträge teilen Anekdoten über die örtlichen Schulen, das Feuerwehrorchester, den Fußballklub oder die zionistische Jugendgruppe mit. Sie zeichnen Porträts örtlicher Prominenter, deren Berühmtheit nur bis zum Rand der Weizenfelder reichte, die die Stadt umgaben: ein Lieblingslehrer, ein geachteter Rabbi, der Stadtverordnete, der Wasserträger, den jeder kannte. Sie dokumentieren kleine und große Ereignisse: den Tag, als ein Soldat aus dem russisch-japanischen Krieg heimkehrte, das Gastspiel einer reisenden Theatertruppe aus Odessa, das Feuer, das Yankel Friedmans Gasthaus zerstörte, den Tag, als die Nazis kamen.
Doch solche Gedenkbücher sind nicht nur Geschichten der Vorkriegszeit; sie sind auch Vorgeschichten des Krieges. Nehmen wir zum Beispiel das Gedenkbuch der Stadt Proskuriv (heute Chmelnyzkyj), die heute in der Ukraine liegt. Sein TitelChurbn Proskurov bewahrt das Unglück, das die Stadt traf. Das jiddische Wortchurbn (Zerstörung) ist vom hebräischenhurban abgeleitet, das die Zerstörung der beiden biblischen Tempel im 6. Jahrhundert v. Chr. und im 1. Jahrhundert n. Chr. – die Urkatastrophen des jüdischen Volkes – bezeichnet und seitdem für verschiedene andere Katastrophen gebraucht worden ist, von Erdbeben bis zum Untergang derTitanic. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es weithin auf das Schicksal der europäischen Juden unter dem Nationalsozialismus bezogen.
Wie so viele Gedenkbücher beginnt das