: Gerhard Branstner
: Der Narrenspiegel Aber auch Das Buch der sieben Künste
: EDITION digital
: 9783965217508
: 1
: CHF 5.70
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: Humor, Satire, Kabarett
: German
: 238
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gleich sieben Künsten widmet sich der Autor in diesem Buch, worin die erste jene die Kunst zu lachen ist. Auch dort kommt Branstner bald auf sein eigentliches Thema zu sprechen - auf die Kunst zu leben, also auf die Lebenskunst, wie er am Beispiel einer anderen Kunst erläutert: Eine Lebenskunst Ein Mann verwendete die beste Zeit seines Lebens darauf, die Kunst des Drachentötens zu erlernen; und er hatte sein ganzes Vermögen dafür hingegeben. Einen Drachen aber bekam er niemals zu Gesicht. Also: Kunst und Leben treffen sich mitunter nur gelegentlich Auch in diesem ersten Kunst-Kapitel finden sich einige seiner Nepomuk-Anekdoten wie die beiden folgenden: Logik Nepomuk sollte nach B. fahren. Er erkundigte sich auch alsbald nach einem passenden Zug, schob jedoch die Reise immer wieder hinaus. Als aber auf der Strecke nach B. ein Zugunglück geschah, sagte er: 'So, jetzt haben wir das Unglück hinter uns, und ich kann beruhigt fahren.' Charakter Nepomuk hatte etwas außerhalb der Stadt, gut zwei Wegstunden von seiner Wohnung entfernt, ein Gartengrundstück erworben und stellte, noch bevor der Zaun errichtet war, eine Gartentür auf und versah sie mit einem sicheren Schloss. Eines Tages, vor der Tür stehend, musste er feststellen, dass er den Schlüssel vergessen hatte. Ohne Zögern kehrte er um, den Schlüssel zu holen. 'Es hätte ein schlechtes Beispiel gemacht', erklärte er, 'wenn ich mein Eigentum neben der Tür betreten hätte.' Und da haben wir einen guten Eindruck von der hintergründigen Sicht des Autors auf zwei der von ihm behandelten Künste. Auch die anderen fünf Künste behandelt Gerhard Branstner auf ähnliche Weise. Greifen wir als Beispiel und Einladung zum Selber-Lesen und Mit-Denken nur die Kunst zu lästern heraus. Was würde man erwarten? Auch hier präsentiert Branstner einige Nepomuk-Anekdoten: Gegen Spontaneität Nepomuk stand gewöhnlich morgens auf und legte sich gewöhnlich abends zu Bett. Die Selbstverständlichkeit, mit der er das tat, verdross ihn. Er beschloss, es fortan bewusst zu tun. Berufsverkehr In einem Gespräch wurde die Ansicht geäußert, dass der Besitzer eines Autos mehr von der Welt zu sehen bekomme als ein Benutzer der volkstümlichen Verkehrsmittel. 'Von welcher Welt?', fragte Nepomuk.

Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre. 1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft. 1949 - 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.). 1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 - 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin. Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller. 2008 in Berlin verstorben.
Gerechter Lohn für schöne Worte* Ein Dichter hatte auf einen Würdenträger ein überschwängliches Loblied gemacht. Darauf sagte der Würdenträger zu dem Dichter: 'Komm morgen zu mir, und ich will dir ein reiches Geschenk machen.' Am nächsten Tage kam der Dichter schon bei Morgengrauen und wollte das Geschenk abholen. Der Würdenträger aber sagte: 'Du hast ein Gedicht geschrieben, das nicht der Wahrheit entspricht, und ich habe ein Versprechen gegeben, das nicht der Wahrheit entspricht. Somit haben wir uns gegenseitig mit schönen Worten erfreut und sind quitt. Was willst du jetzt noch?' Also: Nicht immer und an allen Orten gewinnt die Kunst mit schönen Worten Vom Nutzen der Gleichnisse* 'Weshalb sprichst du immer in Gleichnissen?', fragte ein Mann seinen Freund. 'Die Leute halten dich deshalb für hochmütig und machen sich über dich lustig. Es ist mir allmählich peinlich, dein Freund zu sein.' 'Du gleichst einem Papagei', erwiderte der Freund und ging seiner Wege. Der andere lief ihm wütend hinterher. 'Wie kannst du mich so beleidigen!', rief er und bedrohte den Freund mit Schlägen. 'Weshalb bist du so wütend?', fragte dieser. 'Hast du denn überhaupt verstanden, was ich mit dem Gleichnis sagen wollte?' 'Aber das versteht doch jedes Kind', erwiderte der Gefragte ärgerlich. 'Du wolltest damit sagen, dass ich gedankenlos nachplappere, was andere reden; dass ich keine eigene Meinung habe; dass ich leere Worte von mir gebe, ohne zu wissen, was sie bedeuten; dass ich ...' 'Siehst du', unterbrach ihn sein Freund, 'wie viele Worte du brauchst, um das zu sagen, was ich mit einem Wort gesagt habe? Eben deshalb spreche ich in Gleichnissen, und jeder kann sie verstehen. Sie sind das Bekannte, durch das wir uns das Unbekannte verständlich machen, indem wir dieses mit jenem vergleichen.' 'Du hast recht', gestand der andere, 'und ich bin stolz darauf, dein Freund zu sein.' Also: Im Gleichnis liegt verkürzt, was eine Rede würzt Belohnung eines schwierigen Talentes* Ein Derwisch behauptete, mit der Spitze einer Nadel über drei Schritte Entfernung hinweg in das Öhr einer anderen Nadel treffen zu können. Der König ließ den Mann rufen und forderte ihn auf, seine Kunst vor dem versammelten Hofe zu beweisen. Der Derwisch gehorchte dem Befehl, legte eine Nadel auf den Boden, trat drei Schritte zurück und warf eine andere Nadel mit der Spitze in das Öhr der am Boden liegenden. Die Hofleute bekundeten ihr Erstaunen, der König aber befahl den Schatzmeister und einen Prügelknecht zu sich und sagte: 'Gebt ihm dreißig Silberstücke und dreißig Stockschläge!' Die Hofleute bekundeten abermals ihr Erstaunen und wussten nicht, wie dieser Widerspruch zu verstehen sei. Da erklärte der Köni