Der Rosshüter und die wilden Kater
Auf einem Gestüt lebte ein alter Pferdezüchter, der hatte weder Frau noch Kind. Drei junge Burschen dienten bei ihm als Rosshüter. Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gelebt hatten, sagte der Züchter eines Tages zu ihnen:
»Ich bin alt und will mich hinter den Ofen setzen. Einer von euch soll mein Nachfolger werden und um ihn zu wählen, teile ich jedem zwölf meiner Pferde zu. Dagobert, du bist der älteste Bursche und sollst meine Schimmelstuten hüten. Heribert, du bist der mittlere Bursche und erhältst die fuchsroten Pferde. Engelbert, der Jüngste, wird die schwarzen Zuchtrosse aufpassen. Jeder von euch nimmt eine der grünen Koppeln. Wer nach drei Tagen kein Pferd verloren hat, dem will ich das Gestüt überschreiben und der darf mich dafür bis an meinen Tod verpflegen.«
Die Augen Dagoberts und Heriberts glänzten, denn die Pferdezucht war ein blühendes Geschäft im Lande der lila Liebeslust und versprach Geld und Ruhm. Nur Engelbert machte sich nichts daraus; vielmehr fürchtete er sich, ganz allein auf die ungestümen Rappen aufpassen zu müssen, noch dazu bei den grünen Koppeln.
»Dort sind die Weideflächen zwar besonders saftig, doch grenzen sie zum Süden hin an den düsteren Urwald, in den niemand sich hinein traut«, wusste er. »Reißt eines der Pferde aus und läuft dorthin, wer wird ihm folgen und es fangen?«
Dagobert und Heribert hielten seine Ängste für albern und der Auftrag dünkte ihnen eine Kleinigkeit. Anderntags zog ein jeder seiner Koppel zu und musste achtgeben, dass keines der Pferde abhandenkam. Engelbert hatte alle Mühe, die schwarzen Rosse davon abzuhalten, über die Koppelgrenze hinein in den Urwald zu springen. Als sie endlich friedlich grasten, kam geradewegs aus dem Dickicht eine fesche Jägerin daher und hatte an ihrer Leine keinen Hund, sondern einen struppigen Wildkater. Der junge Rosshüter fragte:
»Was machst du mit dem Wildkater?«
»Ich fand ihn im Wald«, sagte die Jägerin, »und will ihm sein Fell abziehen. Das schenke ich meiner Mutter, die arg an der Gicht leidet.«
Engelbert tat das wilde Tier leid und er bat:
»Schenk ihm das Leben! Du sollst dafür eins der schwarzen Zuchtrosse haben!«
Die Jägerin brauchte sich nicht lange zu bedenken, denn ein solcher Hengst konnte ihr auf dem Markt Geld genug für allerlei Gichtheilmittel beschaffen. Darum ging sie auf den Handel ein und nahm ein Ross mit, während Engelbert den wilden Kater von der Leine ließ und ihn in den Urwald zurückschickte.
»Dort in der Wildnis ist dein Zuhause«, rief er ihm nach. »Lauf und lass dich nicht noch einmal einfangen!«
Der Rest des ersten Tages verlief ohne weitere Ereignisse und bei Sonnenuntergang trafen sich die drei Hüter bei dem Lager, das sie zwischen den drei Koppeln aufgeschlagen hatten. Heribert schlief im Schein des Lagerfeuers schnell ein, die anderen beiden hingegen plauderten im Flüsterton über dies und das. Als Engelbert von der Begegnung mit der Jägerin zu reden begann, schüttelte Dagobert bestürzt den Kopf und sagte:
»Ein Dummkopf bist du! Unser alter Meister hätte dich schon genug gescholten, wäre dir eins seiner Rosse ausgerissen. Aber dass du es aus freien Stücken verschenkst, wird er dir nie verzeihen!«
»O weh«, erschrak Engelbert. »Dann darf er es nie erfahren!«
»Von meinen Lippen wir