Amsterdam ist Naschen mit den Augen«, pflegt mein Freund Vincent zu sagen, ein Fotograf. Recht hat er. Und das Schönste daran: Man bekommt nie genug. Ich jedenfalls kann mich nicht sattsehen an den Backsteinfassaden der Grachtenhäuser, eine schiefer als die andere, die mit ihren weiß umrandeten Fenstern und Giebeln aussehen wie Lebkuchen mit Zuckerguss. An den Hausbooten, die in allen Formen und Altersklassen auf dem Wasser dümpeln. Den Brücken und Kanälen, Treppen-, Schnabel- und Glockengiebeln.
Kurzum – das Sortiment ist vielfältig. Damit Sie einen Überblick bekommen, führe ich Sie als Erstes auf das schiefe Dach desWissenschaftsmuseums Nemo, das uns, einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt, wie ein grüner Schiffsrumpf entgegenschimmert. Der italienische Architekt Renzo Piano hat es wie eine Piazza gestaltet, mit Loungebänken, Wasserspielen, Blumenkübeln und einem Café – aber als abschüssige Terrassenlandschaft mit einem traumhaften Panoramablick über die Stadt.
Hier oben liegt uns Amsterdam zu Füßen wie eine überdimensionale geöffnete Pralinenschachtel: Links im Osten leuchtet das monumentale weiße Schifffahrtsmuseum zu uns herauf, vor dem die »Amsterdam« vor Anker liegt – die originalgetreue Kopie eines Dreimasters, auf dem die Ostindische Handelskompanie VOC einst Gewürze, Seide und Porzellan aus Asien nach Europa brachte. Auf der anderen Seite, im Westen, zeichnet sich die Kuppel der Nikolausbasilika gegen den Himmel ab. Hinter ihr erstreckt sich die Amsterdamer Altstadt mit den Wallen, dem berühmt-berüchtigten Rotlichtbezirk. Noch weiter rechts, direkt neben uns, die neue städtischeBibliothek OBA: Dieser 40 Meter hohe, mit Designmöbeln eingerichtete Bücherpalast macht dem Nemo Konkurrenz, auch er hat oben eine Terrasse zu bieten. Eine prima Alternative bei Regenwetter, denn sie ist teilüberdacht. Der Nachteil: Im Selbstbedienungsrestaurant auf dem OBA-Dach muss man etwas kaufen.
Ohne Grachtengürtel kein Amsterdam-Gefühl. Doch die niederländische Hauptstadt hat mehr zu bieten als nur ihr Welterbe aus dem 17. Jahrhundert: Hinter dem Hauptbahnhof entstehen neue Kreativviertel mit witzigen Kneipen, Museen, Künstlerateliers und viel experimenteller zeitgenössischer Architektur.
FRÜHSTÜCK MIT FERNBLICK
Auf dem Nemo hingegen packen wir um zehn Uhr morgens unseren Proviant aus, um zu frühstücken. Neben uns plätschert ein Wasserlauf von Stufe zu Stufe nach unten. Ein paar Meter weiter liegt eine Frau auf einer Stufe und liest. Und vom Springbrunnen weiter unten tönt Kinderlachen herauf, denn da laden Kurbeln dazu ein, Wasserstrahlen in die Höhe schießen zu lassen. Ein Vater kurbelt mit seinen Söhnen um die Wette.
Amüsiert schauen wir zu, während wir unser Käsesandwich genießen – frisches Baguette mitboerenkaas belegen – pikantem Bauernkäse.Lekker! Zweimal 250 Gramm für 4,75 Euro. Reicht locker für unsere heutige Tourgruppe von vier Personen. Damit eingedeckt haben wir uns beiAlbert Heijn, einer Supermarktfiliale an der Oosterdokskade, auf halber Strecke zwischen Hauptbahnhof und Nemo. AH, wie er kurz heißt, gehört zu Holland wie die Tulpen und die Windmühlen. Alle meine niederländischen Freunde haben Kristallgläser und Silber