Es regnet. Nicht stark, dafür sanft und beständig, ohne Schwankungen. Mitten in der Nacht fängt es an. Nat zwingt Sieso, ins Haus hereinzukommen, stellt die Eimer auf und macht sich bereit, sie auszuleeren, bevor sie überlaufen. Von den Bohlen steigt feuchte klebrige Wärme auf, von der sie schläfrig wird. Sie versinkt in einem ausgeklügelten Traum, der nach jeder Schlafunterbrechung einfach weitergeht, sie schafft es nicht, ganz daraus zu entkommen. In diesem Traum ist Sieso weggelaufen, und sie muss hinter ihm her, sie ist aber barfuß und hat nichts anderes zur Hand als ein Paar derbe Stiefel, wie die des Deutschen. Es gäbe sicherlich passenderes Schuhwerk sie kommt kaum voran, die Stiefel sind so schwer, dass sie die Füße fast nicht vom Boden lösen kann. So verzweifelt sie sich auch bemüht, so sehr sie sich beeilt, sie hat den Hund längst aus den Augen verloren und hört bloß noch, immer schwächer, sein Winseln. Beim Aufwachen merkt sie, dass Siesos Winseln echt ist und sich in ihren Traum gemischt hat. Und was ist mit den Stiefeln? Sind die auch da? Ob vorhanden oder nicht, ihr Problem lösen sie jedenfalls nicht, sagt sie sich.
Als es hell wird, verschwindet der Regen und mit ihm die Offenbarung. Sie betrachtet den Himmel. Über dem Glauco ballen sich schwarze Wolken, bald wird es wieder regnen. Aber jetzt, bei Tageslicht, bleibt sie gelassen so schlimm sind ein paar undichte Stellen auch nicht, sagt sie sich. Sie braucht bloß rechtzeitig die Eimer zu leeren, andere Leute müssen viel schlimmere Dinge ertragen und machen trotzdem weiter, ohne sich zu beklagen. Der Vorschlag des Deutschen, seine Stimme seine Stimme, während er den Vorschlag macht , hallt immer noch in ihrem Kopf nach, beunruhigt sie aber nicht mehr. In der Erinnerung steht der Deutsche wieder vor ihrer Tür und spricht erstaunlich gelassen auf sie ein. Sie nimmt ihn genauso gelassen in den Blick, leidenschaftslos.
Das Regenwetter setzt sich die ganze Woche über fort, gerät aber in keinem Augenblick außer Kontrolle. Es regnet und hört wieder auf, regnet und hört wieder auf, in einem ruhigen Wechsel, gut für die Felder. Es tropft jedoch ununterbrochen von der Decke damit das Dach trocknen kann, müssten die Abstände zwischen den Schauern größer sein. Nat ist also stundenlang mit dem Überwachen der Eimer beschäftigt, dazwischen kann sie gerade einmal die nötigsten Einkäufe erledigen. So vergeht Tag um Tag, und ihre Müdigkeit wächst und wächst. Niedergeschlagen sieht sie zum Himmel auf, wachsende Bedrückung ergreift von ihr Besitz.
Als es einmal gegen Mittag aufklart, nutzt sie die Gelegenheit und geht raus, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Sieso begleitet sie, aber nur bis zum Gartentor. Dort bleibt er wie angewurzelt stehen, sie kann noch so hartnäckig nach ihm rufen.
»Na gut, dann bleibst du eben hier«, sagt sie verärgert. »Selber schuld.«
Der Hund sieht ihr hinterher, als sie davongeht. Obwohl es kühl geworden ist, trägt Nat Sommerkleidung, eine einfache kurze Hose und ein Baumwoll-T-Shirt. Um sich vor der Kälte zu schützen, verschränkt sie die Arme vor der Brust und lässt sich den Wind ins Gesicht blasen. Sie passiert Píters Haus und schaut kaum hin. Entschlossen geht sie weiter, geistesabwesend, wie ferngesteuert, obwohl sie nicht so dumm ist, sich selbst gegenüber abzustreiten, dass sie nicht genau weiß, wohin sie geht. Das weiß sie tatsächlich, jedoch nicht, warum und zu