: Sandra Byrd
: Die Kunstschätzerin
: Francke-Buch
: 9783963628337
: 1
: CHF 8.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Viktorianisches England, 1866: Die junge Kuratorin Eleanor übernimmt das Familienunternehmen, das private Kunstsammlungen betreut und wertvolle Sammlerstücke restauriert. Ein reicher Kunde betraut Eleanor mit einem Auftrag, der sie aufs Äußerste herausfordert: Sie soll ihrer unglücklichen Jugendliebe, Baron Harry Lydney, auf den Zahn fühlen: Versetzt der aufrichtig wirkende junge Mann heimlich Stücke aus der Sammlung seines Vaters? Nur, wenn er sich als der erweist, der er zu sein scheint, darf Eleanor ihm die Kunstschätze überlassen. An dieser 'Echtheitsüberprüfung' hat Eleanor auch ein ganz persönliches Interesse - hatte Harry ihr doch einst einen Ring als Unterpfand ihrer gegenseitigen Liebe gegeben. Dann allerdings verschwand er auf mysteriöse Weise, nur, um mit einer attraktiven italienischen Adeligen zurückzukehren. Hat er ihre Liebe verraten? Wird er sich als echt oder falsch erweisen wie so manches Kunstwerk, das der Begutachtung durch Eleanor nicht standhält?

Die Bestsellerautorin Sandra Byrd hat inzwischen fünfzig Bücher veröffentlicht, darunter viele historische Romane, aber auch Bücher für Kinder und Teenager oder Andachtsbücher für Frauen. Als Schreibcoach hilft sie angehenden Autorinnen und Autoren bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und bei der Veröffentlichung ihrer Werke. Sandra Byrd kocht für ihr Leben gern und sammelt altes Glas und Geschirr. Sie liebt lange Spaziergänge mit ihrem Ehemann und sonntägliche gemeinsame Abendessen mit ihrer wachsenden Familie. Ihre Heimat ist die Gegend von Seattle in den USA.

Kapitel 1

September 1866
Watchfield House, Grafschaft Oxfordshire, England

Das weitläufige Gemach, in dem wir warteten, hallte wider vom Gemurmel menschlicher Stimmen, die jedoch so leise sprachen, wie es der Anstand erforderte. Alle Anwesenden zuckten zusammen, als direkt vor der breiten Fensterfront ein greller Blitz aufleuchtete und in den Boden einschlug wie ein Finger, der auf einen Punkt tief in der Erde zeigen wollte. Vielleicht war es ein Fingerzeig des Herrn. Vielleicht wollte er uns darauf hinweisen, wo die Seele des kürzlich verstorbenen Lord Lydney ihren letzten Ruheort gefunden hatte.

Ich glaubte nicht, dass Lord Lydney in den Himmel aufgestiegen war.

Dennoch war Lydney für meinen Vater ein Freund, Gönner und Wohltäter gewesen. Viele sprachen voller Bewunderung von ihm. Um die Wahrheit zu sagen, er zeigte sich gelegentlich auch mir gegenüber großzügig. Einst glaubte ich sogar, er könnte mein Schwiegervater werden.

Diese Vorstellung gehörte jedoch der Vergangenheit an.

Ich war in Watchfield House, dem englischen Landsitz von Baron Lydney, um dort wieder einmal meine Aufwartung zu machen. Danach wollte ich so schnell wie möglich das Weite suchen und die Vergangenheit endgültig hinter mir lassen.

Mein Blick fiel auf Harry und wider besseres Wissen sah ich ihn länger an. Seine helle Haut und sein widerspenstiges goldbraunes Haar bildeten einen bewundernswerten Kontrast zu der schwarzen Trauerkleidung, die er – wie wir alle auch – trug. Rasch sah ich weg, bevor er mich dabei ertappen konnte, wie ich ihn anstarrte.

»Ein Schwarm von Krähen.« Marguerite zeigte mit einem Kopfnicken auf eine Gruppe unfreundlich dreinschauender Männer, die ihre Köpfe bei der Begrüßung ruckartig bewegten wie Vögel, die Körner aufpicken. Nicht nur ihr hohes Alter, auch ihre schwarzen Frackjacken ließen sie steif wirken.

Ja, meine beste Freundin Marguerite. Obwohl wir fast gleichaltrig waren, war sie als Witwe eine passende Anstandsdame für mich, wenn ich eine benötigte. Bei meiner gesellschaftlichen Stellung war das jedoch nicht oft der Fall. Sie wusste, dass es seit meiner Kindheit meine Angewohnheit war, alles Mögliche in Sammelbegriffen zusammenzufassen, vor allem in Situationen, in denen meine Ängste an die Oberfläche drängten. Diese Gewohnheit passte besonders gut zur Tochter und Assistentin eines Konservators für Sammler. Jetzt war ich selbst als Konservatorin und Gutachterin tätig – beinahe zumindest.

»Eine Rotte Wildschweine?« Ich täuschte ein gelangweiltes Gähnen vor.

Sie blickte in Harrys Richtung. »Ein Wüstling als Führer von Maultieren?«, fragte sie spöttisch.

Ich musste über ihren Scherz lächeln, wusste aber, dass sie das nicht wirklich ernst meinen konnte. Sie hatte Harry immer gern gemocht, zumindest bis zu seinem Verschwinden. Wie jeder von uns hatte Harry seine Fehler, aber er war ganz bestimmt kein Wüstling. Sein Interesse hatte immer nur einer