: Pauline Réage
: Die Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy
: LangenMüller
: 9783784484402
: 1
: CHF 13.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dies s Buch ist keine pikante BoudoirIdylle, sondern eine Geschichte, die mit allen Tabus bricht: O wird von ihrem Geliebten in einem geheimnisvollen Schloss abgeliefert und dort mit Kette und Peitsche gezwungen, sich ganz ihren Gebietern, den Männern, zu unterwerfen. Sie erlebt alle möglichen Formen der Entwürdigung und des Schmerzes, doch je heftiger sie gequält wird, umso offener, gehorsamer und opferbereiter wird sie, bis zur völligen Selbstaufgabe. In ihrer »Geschichte der O« will Pauline Réage den Leser in ihre geheimnisvoll oszillierende Welt hineinziehen. Gibt es also in den Tiefen der Frauenseele etwas, das auf Unterwerfung und Selbstaufgabe besteht?

Geschichte der O
Vorwort

DAS GLÜCK IN DER SKLAVEREI

Ein Aufstand auf Barbados

Ein seltsamer Aufstand forderte im Lauf des Jahres 1838 auf der friedlichen Insel Barbados blutige Opfer. Etwa zweihundert Schwarze, Männer und Frauen, sämtlich durch die März-Erlasse in Freiheit gesetzt, suchten eines Morgens ihren früheren Herrn auf, einen gewissen Glenelg,und baten ihn, sie wieder als Sklaven anzunehmen. Eine Klageschrift, verfaßt von einem Anabaptisten-Pastor,wurde vorgelegt und verlesen. Dann begann die Diskussion. Aber Glenelg wollte sich, aus Zaghaftigkeit, Unsicherheit oder einfach aus Furcht vor dem Gesetz, nichtüberzeugen lassen. Worauf die Schwarzen ihm zunächst gütlich zusetzten, ihn dann mit seiner ganzen Familie massakrierten, und noch am gleichen Abend wieder in ihreHütten zogen, ihre Palaver und gewohnten Arbeiten und Riten wieder aufnahmen. Die ganze Sache konnte durch das Eingreifen des Gouverneurs Mac Gregor schnell unterdrückt werden, und die Befreiung nahm ihren Fortgang. Die Klageschrift übrigens wurde nie aufgefunden.

Ich denke manchmal an diese Schrift.Wahrscheinlich enthielt sie, neben berechtigten Einwänden gegen die Organisation der Arbeitshäuser (workhouses). die Ablösung der Prügelstrafe durch die Gefängnisstrafe, und das Krankheitsverbot für »Lehrlinge« – so nannte man die neuen, freien Arbeiter – zumindest in Umrissen eine Rechtfertigung der Sklaverei. Zum Beispiel die Bemerkung, daß wir nur für die Freiheiten empfänglich sind, die andere Menschen in eine entsprechende Knechtschaft werfen. Es gibt niemanden, der sich nicht freuen würde, frei zu atmen. Doch wenn ich mir zum Beispiel die Freiheitnehme, bis zwei Uhr morgens lustig Banjo zu spielen, so verliert mein Nachbar die Freiheit, mich nicht bis zwei Uhr morgens Banjospielen zu hören. Wenn ich es fertigbringe, nichts zu tun, so muß mein Nachbar für zwei arbeiten. Zudem ist bekannt, daß totaler Freiheitsdrang unweigerlich schon bald nicht minder totale Konflikte und Kriege nach sich zieht. Dazukommt noch, daß,kraft der Dialektik, der Sklave sowieso einmal zum Herrn wird, es wäre falsch, diese naturgesetzliche Entwicklung forcieren zu wollen. Ferner: sich ganz dem Willen eines anderen ergeben (wie dies Liebende und Mystiker tun), ermangelt nicht der Größe und schafft seine eigenen Freuden, so dieFreude, sich-endlich! – befreit zu wissen von den eigenen Neigungen, Interessen und Komplexen.Kurz, diese kleine Schrift würde heute, mehr noch als vor hundert Jahren,als Häresie gelten: als gefährliches Buch.

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